Auf in den Kampf

-Br. Markus – Matthäus 10, 35-39

Auf in den Kampf …

… die Schwiegermutter naht. Sie kennen das, das alte Jungscharlied. … siegesgewiss klappert ihr das Gebiss … und so weiter, und so fort. Der tiefe Sinn dieses Liedes hat sich mir nie ganz erschlossen. Ich fand’s aber trotzdem lustig, obwohl ich Kriegsdienstverweigerer bin.

Auf in den Kampf! Kämpfen ist wichtig, kämpfen ist angesagt. Gegen wen eigentlich und für was? Wir kämpfen gegen die Müdigkeit, gegen den Hunger in der Welt, gegen die Drogen und gegen soziale Ungerechtigkeit, für Unabhängigkeit und ein Mitspracherecht und immerhin und überhaupt einfach nur um’s Überleben. Und da bleibt es nicht aus, dass bei allem Kämpfen sich Sehnsucht ausbreitet, Sehnsucht nach Stille, Frieden und einer harmonischen Welt, Sehnsucht nach einer Welt ohne Streit. Da bietet sich die Religion an, die Frieden verspricht und uns zu uns selber finden lässt. Und so glaubt manch einer, daß der Glaube dazu dienen müsste, unsere Sehnsucht zur Ruhe finden zu lassen. Tut er auch, aber nicht nur. Das ist der erregende, der entscheidende Unterschied, der den Glauben zum Glauben macht.

Christus durchbricht knallhart unser religiöses Harmoniebedürfnis und macht klar, dass der Glaube mehr ist als eine religiöse Traumfabrik. Es geht um den Mehrwert des Lebens in Gott, das viele verschiedene Seiten hat und das auch eine sehr schattige Seite haben kann. Es geht um den Konflikt, der fester Bestandteil des Glaubens ist.

1.          Christus erregt

„Meint nur nicht, dass ich gekommen bin, um Frieden auf die Erde zu bringen. Nein, ich bringe Kampf!

Man muss den Text zweimal lesen, um sicher zu sein, dass man nicht aus Versehen die falsche Bibel erwischt hat. Der Friedensfürst Christus redet vom Kampf, vom Schwert, von Hass und von Streit. An anderer Stelle sagt Christus: „Wer das Schwert nimmt, soll durch’s Schwert umkommen.“ oder in der Bergpredigt: „Wenn ein er auf die eine Wange schlägt, so halte auch die andere hin.“ Zwei so unterschiedliche Aussagen des einen Christus scheinen nicht zusammenzupassen. Millionen von Kreuzrittern haben sich blindwütig verrannt.

Klar, das einfachste wäre, den heutigen Text einfach für unecht zu erklären. Damit wäre die Welt wieder in Ordnung. Es geht in der Tiefe aber um echten Glauben und echtes Leben, das eben in echter Auseinandersetzung steht zwischen echtem Gut und Böse. Christus ist Gottes Abtrennung gegen alles Böse in der Welt. In Christus nimmt Gott den Kampf auf. In Christus trennt sich Gott sehr deutlich von allem Nicht-Göttlichen ab. Leben ist eben das Gegenteil von Sterben. Genau darin ist die Grenze scharf, messerscharf. Der Glaube an Gott steht immer an dieser Grenze zum Bösen. Es geht zu allererst um den Kampf mit mir selber, weniger mit anderen, obwohl es sicher auch andere sein können, die mich negativ beeinflussen. Zuerst und zuletzt fordert Christus den Kampf mit mir selbst, mit allem, was in mir gegen ihn steht. Da ist es eben nicht die Stille und der Frieden, sondern der Kampf, der im Stillen in mir tobt und der gewonnen sein soll. Der Glaube an Gott kann nur da wirklich Glaube sein oder werden, wo der in der Auseinandersetzung mit meinem ganz persönlichen Unglauben geführt wird. Christus bringt mir den Streit mit mir selbst. Ohne diesen Konflikt wäre ich mit mir selbst ganz zufrieden, weil ich ja eigentlich ganz okay bin. Mit Christus oder im Glauben kann ich diese Selbstzufriedenheit erschüttern. Es braucht Christus, mich zu enttarnen. Christus erregt Gottes Widerspruch in mir. Er bringt eine zweite Meinung, die Meinung Gottes, in mir zum Tragen. Und das ist immer ein Konflikt, weil ich nach meinen eigenen Regeln lebe und strebe. Das ist ja auch nichts ehrenrühriges. Der Mensch muss, um zu überleben, um sich selber kämpfen. Die Frage ist nur immer, wie.

In dieser Auseinandersetzung ist Glaube ein Dauerkonflikt mit mir selbst. Es ist die eigentliche Schwierigkeit des Glaubens, diesen Konflikt auszuhalten und auszutragen. Es strengt eben an, sich selber auszuhalten, das eigene Unvermögen und wiederholte Versagen. Da sind die anderen Angebote im Supermarkt religiöser Strömungen schon wesentlich billiger, sprich: schmerzfreier – zu haben, scheinchristlich oder nicht. Gott mutet uns uns selber zu in unserer ungeschminkten Originalausgabe. Er mutet uns zu, alles abzuschneiden, was von ihm trennt. Gott bringt in Christus unser Kartenhaus zum Einsturz. Das ist Kampf um mich, mit mir und auch gegen mich. Da muss ich kein Schwert erheben, um gegen andere aufzustehen, es reicht völlig, mit mir selber fertig zu werden. Das kostet schon genug Kraft. Würde sich der Glaube diesem Kampf entziehen, wäre er tatsächlich ein Traumschloss, Opium für’s Volk.

Christus erregt Gottes Widerspruch in mir.

2.          Christus bewertet mich

Die schlimmsten Feinde werden in der eigenen Familie sein. Wer seinen Vater oder seine Mutter, seinen Sohn oder seine Tochter mehr liebt als mich, der ist es nicht wert, mein Jünger zu sein.

Christus schafft neue Werte, ein neues Wertesystem. Es geht um das, was wirklich wichtig ist, nicht nur um familiäre Bande – so wichtig, dass ich mir Zeit dafür nehme. Zeit hat keiner von uns. Deshalb sieht man eigentlich an dem, wofür man sich Zeit nimmt, was wichtig ist. Die Stärke von Liebe kann man nicht messen – die Gradzahl von Zuneigung, die man zu einem netten Menschen oder einem Hobby hat – schon aber die Zeit, die man damit verbringt oder die Priorität, die man ihr gibt. Und genau da hat Gott schon den unverschämten Ehrgeiz, auf Platz 1 zu landen. Gott hat den sportlichen Ehrgeiz, das Wichtigste in unserem Leben zu sein. Nicht mein frommes Leben, nicht alle guten Taten, nicht mein soziales Engagement bestimmen meinen Wert für Gott, sondern die Wichtigkeit, die ich ihm gebe.

Er will nicht unser einziger Gedanke, er will aber unser erster Gedanke sein. Die Priorität entscheidet. Christus entfremdet ja nicht, nicht in der Verwandtschaft und auch nicht mich selbst, aber er verbindet in neuer Form zu neuem Wert alle, die es schaffen, Abstand von sich selbst zu gewinnen. Das ist das Geheimnis wahren Lebens, mein wahres Ich, dass ich nur entdecken kann, wo ich den Mut aufbringe, Gottes Blickwinkel zu wagen. Wo ich nur das tue, was mir gerade einfällt, Spaß macht oder sonst was, komme ich nicht heraus aus meinem engen Korsett. Weil es aber mehr gibt, weil es auch ganz anders, viel schneller oder wesentlich leichter geht, deshalb will Gott uns in Bewegung bringen, uns verwirklichen auf seine Art. Das ist es, was uns wertvoll macht.

Der, der uns erregt und bewegt, ist auch der, der für uns

3.          Garantiert

Wer sich an sein Leben klammert, der wird es verlieren. Wer es aber für mich einsetzt, der wird es für immer gewinnen.“

Christus spricht eine göttliche Gewährleistung aus für alle, die den Mut haben, loszulassen, sich selbst in Frage zu stellen. Welchem Konzept ich mehr vertraue, ist meine eigene Entscheidung. Es gibt bei Christus kein Spassversprechen. Es gibt kein Harmonieversprechen und auch keine Wohlfühlgarantie. Sein Kreuz auf sich zu nehmen ist ganz klar schwer. Es ist ganz klar Kampf. Christus beschönigt nichts, im Gegenteil. Er schafft Realitätsbezug. Wer von Gott erregt lebt, erregt damit nicht nur sich selbst, sondern auch andere Gemüter. Das trifft mal mehr, mal weniger hart. In jedem Fall wird die Auseinandersetzung überall konkret, wo man versucht, konkret nachzufolgen.

Es ist nicht nur in der Geschichte unserer Bruderschaft, nicht nur in der ganzen Reformationsgeschichte wie in der gesamten Kirchengeschichte zu sehen. Sich selber zu verlieren, fällt keinem leicht, erst recht nicht in einer Zeit, in der die Selbstkontrolle das oberste Maß aller Dinge ist. Es geht in der Tiefe darum, für welchen Wert ich mich entscheide, den Wert, den andere oder ich mir geben oder den Wert, den Christus in mir erkennt. Zuletzt ist da immer die Angst, zu verlieren, zu kurz zu kommen oder nicht dabei zu sein, wenn die Post abgeht. Man kann sich’s ja nicht leisten, was verpasst zu haben auf dem Lebensweg. Die Angst zu verlieren und der Zweifel nagt. Die ist aber nicht nur auf dem Glaubensweg, die Angst ist auch da, wo ich mich ohne Gott entscheide. Mit Sportsgeist gelingt es also nicht, mit einem scharfen Schwert schon eher, die eigene Angst abzuschneiden, die im Weg steht.

„Auf in den Kampf“ ist deshalb kein oberflächlicher Schlachtruf. „Auf in den Kampf“ ist vielmehr das Motto, unter dem man es wagen kann, gegen den eigenen Schweinehund anzutreten. Es gibt nicht mehr als die göttliche Garantie. Die Kunst ist es nur, darauf zu vertrauen. Vertrauen ist bei Christus angesagt.

„Auf in den Kampf“ – damit wir’s finden, unser Leben, das Leben, das wirklich Leben ist, das Leben, das sich lohnt.

 

 

 

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