Liebe opfert sich

Hebr. 9, 15, 26b-28

Wenn die Blumenmönche dem Gourmet-Gastronomen in Stuttgart das Empfangsgesteck in der Eingangshalle gestalten, geben sie alles. Da opfert der Florist am Bindetisch sein Leben. Doch nicht dadurch, dass er sich umbringt, sondern indem er seine ganze Hingabe hineinlegt. Er gibt seine Arbeitszeit, seine Lebenskraft, sein ganzes Empfinden für Gestalten, Formen und Farben, letztlich seine ganze Leidenschaft in ein ausdrucksstarkes Kunstwerk. Er sieht die vielen feinen Herrschaften, die sich dadurch erfreut willkommen heißen lassen und sich  das Herz für einen unvergesslichen Abend öffnen. Er weiß, wofür er sich in diesem Moment opfert. Lebendig opfert er seine Liebe zu seinem Beruf und zu seiner Berufung. Genauso wie sich der Gastronom, an seine Gäste hingibt, um damit das Geld zu verdienen, mit dem er dieses Arrangement bezahlt. So dienen wir einander, mit dem, was wir sind und haben. Wir opfern dem anderen etwas von unserem Leben.

 

  • Hingabe, die uns meint

15 So hat Christus den neuen Bund zwischen Gott und uns Menschen vermittelt: Er starb, damit die Sünden aufgehoben werden, die unter dem alten Bund geschehen sind.

Karfreitag, ist schwarzer Freitag. Jesus leidet an der Selbsthingabe Gottes. Da ist Gott, der so sehr liebt, dass er um alles in der Welt nicht für sich sein kann. Er ist Gott, und bräuchte niemand für seine Vollkommenheit, weil er alles und in allem ist. Dennoch sucht er ein Du. Dabei leidet er genau an dem Du, das sich alles sein will, und zeigt, wie fähig es ist, ohne Gott zu sein. Das Kreuz zeigt, wie weit Gott aus sich herausgeht, und wie kaputt die Welt ist. Das Kreuz zeigt den Grund, dass es mich überhaupt gibt, dass er alles gegeben hat, mich ins Leben zu rufen, und es zeigt, wie ich mit dieser Leidenschaft umgehe. Das Kreuz ist Spiegelbild von Gottes und meines Handelns. Es ist der Grund und der Abgrund aller Existenz. Der sterbende Christus bringt zwei Extreme zusammen – den leidenschaftlichen Gott und den distanzierten Menschen.

Christus stirbt aus einer bitteren Notwendigkeit heraus. Gott leidet deshalb, dass der Mensch Mensch sein kann und nicht Gott sein muss. In der Begegnung mit dem Emausjüngern stellte Jesus diese Notwendigkeit mit einer Frage klar: Musste nicht Christus dies alles erleiden? Ja er musste! Es ist ein freiwilliges Leiden, für eine erneuerte Beziehung. Hier glüht Liebe, die alles geben will, um Unvollkommenes mit Vollkommenem zusammenzubringen. Es ist die totale Hingabe, die verlorenes Leben zurückgeben will.

  • Opfer, das lebendig ist

26  Aber er ist jetzt, am Ende der Zeit, erschienen, um ein für alle Mal durch seinen Opfertod die Sünden zu tilgen. 27 Jeder Mensch muss einmal sterben und kommt danach vor Gottes Gericht.

Wo es um einen Opfertod geht, geht es gerade nicht um den Tod, sondern um das Leben. Es wäre abgründig, Jesu Leiden auf seinen Tod zu reduzieren. Nicht der Tod, sondern seine Hingabe ist die Botschaft des Kreuzes. Jesus ist nicht gekommen sein Leben zu opfern, sondern er für etwas einzusetzen. Sein Sterben ist sein Dienst an den Menschen. Er ist nicht gekommen um sich dienen zu lassen, sondern dass er diene und sich als Löseopfer gebe für viele. Diesen Dienst kann er nur mit seinem ganzen Leben erbringen, aber nicht mit dem Tod. Das zeigt die Qualität des Opfers. Er opfert das Allerletzte, um Sünden, die Gottestrennung zu tilgen. Am Kreuz heilt die gefallene Schöpfung. Da ist ein für alle Mal Schluss, dass ein Mensch opfern muss, um einen gnädigen Gott zu finden. Gott braucht kein Opfer mehr, um versöhnt zu sein. Christus beendet damit den religiösen Urreflex der menschlichen Seele, der in allen kultischen Opferhandlungen liegt. Keine Bauchaufschwünge mehr, keine Selbstkasteiungen, keinen Ablass, keine auferlegten Bußübungen oder sonstigen menschlich verkrampften Aktionen. Gott braucht kein Opfer mehr. Sein Opfer hat mit uns zu tun. Es ist das lebendige Opfer für unvergängliches Leben. Es nimmt aller Anklage das Gericht. Dieses lebendige beendet das Sterben nach dem Sündenfall.

Martin Schleske, der Geigenbauer sagt: „Es ist wichtig, die Leidensbereitschaft der Liebe nicht in die Erlösungskraft des Leidens zu verkehren! Es wäre ein fatales Missverständnis, den Tod Jesu zu verherrlichen – gerade so als habe Martyrium aus sich selbst heraus einen Wert, als sei Leiden eine Form des Gottesdienstes, als habe Jesus quasi darauf gewartet, endlich für uns zu sterben. Das wäre die religiös perverse Verherrlichung des Selbstmords.“ (Martin Schleske, Der Klang, Klangfarbe der Notwendigkeit, S. 165)

Im Opfertod geht es um Leben.

  • Liebe, die alles gibt

Nun können alle, die Gott berufen hat, das von Gott zugesagte unvergängliche Erbe empfangen, das ewige Leben bei Gott.

Das Kreuz verwandelt alles. Wir verherrlichen an Karfreitag nicht die Erlösungskraft des Leidens, sondern die Leidensbereitschaft der erlösenden Liebe. Wenn Christus für uns gelitten hat, ist nicht das Leiden das große Thema, sondern wie weit seine Liebe geht. Wir stehen erschüttert unter dem Kreuz, betroffen von dieser Notwendigkeit, blicken auf und sagen: Du hast mich in den Himmel geliebt. Das ist das unvergängliche Erbe, das wir am Karfreitag empfangen. Das Kreuz wird zur Kraft meines Lebens. Mit dem Kreuz spricht er über unserem Leben sein es werde und es ward. Da beginnt Neuschöpfung. Damit erschafft die Liebe das Leben zurück. Ich gebe mich ganz, damit es dich gibt. Die Selbsthingabe ist die Liebe, die sich nicht abschütteln lässt.

„Ein Mensch der Liebe sucht, aber nicht bereit ist, auch am Geliebten zu leiden, hat das Wesentliche der Liebe nicht begriffen. Es wäre der armselige Versuch, das eigene Dasein in schmerzfreier Belanglosigkeit zu ertragen. Es wäre ordinär.“ (Schleske)

Der Anfang des Glaubens beginnt am Kreuz. Somit ist Glaube, lebendiges Opfer aus Liebe. Das ist ein Glühen unter Schmerzen. Es ist die Leidenschaft eines Floristen, der einen traumhaften Rosenstrauß bindet, auch wenn ihm manchmal die Dornen die Finger zerstechen. Das ist unvergängliches Erbe, wenn aus dem Opfer am Kreuz, in uns ein lebendiges Opfer wird. Wer liebt, kann sich nur für Großes opfern. Da muss Glaube nicht nur warm und schön sein, da darf er auch schmutzig und hart sein.

Durch das Kreuz sind wir lebendig, weil Liebe sich opfert.

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