-Br. Markus- Jesaja 40, 1-8
In Frankreich gibt’s so was ähnliches, 311 km von Lyon nach Marseille. Sie heißt Autoroute de Soleil, „Straße der Sonne“. Schöner Name für eine Autobahn, klingt schon ganz anders als „Drackensteiner Hang“ oder „Hunsrück“. „Straße der Sonne“ – gebaut für hunderttausende Urlauber, um in den Süden zu rollen, gute Laune zu tanken in Nizza, Monaco oder Cannes, strahlend wie das wolkenlose Blau des Himmels über der Cote d’Azur. In Wirklichkeit ist diese Straße aber nicht ganz so sonnig, wie der Name verspricht. Am 16. Februar 1980 kam es eben auf dieser Straße zum längsten Stau der Welt. 176 km Blockade, 176 km Abgas, 176 km Frust statt Soleil – meiner Meinung nach hätte dieses Straße sowieso „Autoroude de Fondrière“ heißen müssen (zu deutsch: Schlagloch).Aber mich fragt ja keiner. Für so was nehmen die dann auch noch Maut.
Nicht immer hält die Straße das, was ihr Name verspricht. Deshalb ist es umso schöner, wenn man eine Straße hat, bei der das anders ist, eine Straße, die viel mehr hält, als sie verspricht.
1. Die Wüste
„Bahnt dem Herrn einen Weg durch die Wüste!….
Der Prophet erkennt einen neuen Weg, eine ganz andere Art von Straße, die es braucht, um hinauszugelangen aus der Dunkelheit, der Sackgasse der Zeit. Jesaja sieht eine Straße, wo nur Wüste ist, kein Weg zu sein scheint, Ausweglosigkeit. Vielleicht erinnert sich ja der eine oder andere noch an die B28 neu, wie lange es gedauert hat. Jahrzehntelange Suche, endlose Diskussion, Baubeginn, als keiner mehr dran geglaubt hat – und das bei einer ganz normalen Bundesstraße. Die Straße des Trostes ist ein ganz neuer, ein ganz anderer, völlig verrückter Weg, dementsprechend gestaltet sich die Planungsphase für ihn. Der neue Weg Gottes zum Menschen hat ein ganz außerordentliches Plan-Feststellungs-Verfahren. Es ändert den Flächennutzungsplan von Grund auf. Gott will in Christus in die Wüste gehen, durch die Wüste einen neuen Weg bauen, eine Autobahn der Hoffnung in die Wüste der Menschheit.
Das ist mehr, als nur eine Brücke über den Abgrund, das ist das Projekt des Jahrtausends, wenn nicht der Zeit überhaupt. Eine Straße des Trostes für eine untröstliche Welt, eine Straße des Lichts in eine verdunkelte Zeit, eine Straße der Hoffnung, wo nichts mehr zu hoffen bleibt. Gott ist und war immer ein Straßenbauer. Er ist definitiv kein Maurer, niemals ein Mauer-Bauer. Gott baut Wege in die Wüste, keine Mauern an die Grenze. Er schafft Wege hinaus, keine Endstationen oder Schlagbäume. Es geht um die Wüste, in der der Mensch lebt, wenn er ohne Gott lebt.
die Wüste Angst, die Wüste Nacht, die Wüste Sorge, und die Wüste Panik…
Jeder von uns hat seine eigene Wüste. Die Wüstenabgründe, die in jedem Mensch schlummern und sich auftun, sobald er ohne Gott unterwegs ist. Die Wüste Schuld, die im Laufe jedes Lebens ganz automatisch entsteht, ob man will oder nicht. Es bringt nichts, sich was vorzumachen oder abzuhauen. Wüste ist unser Schicksal, weil ein Leben, ohne schuldig zu werden, unmöglich ist. Es ist nur eine Frage, wie hoch oder tief die Berge der Schuld sind, die der Einzelne produziert, und wie ehrlich man zu sich selber ist. Schuld ist eben keine erlernte Angst, die entsteht aus Mangel an Vernunft, Schuld ist etwas ganz anderes, als nur ein Schuldgefühl. Schuld ist die Wüste, die entsteht, wenn ich die Interessen des anderen verletze. Schuld ist die Wüste, die entsteht, wo ich die Interessen Gottes missachte. Schuld ist die Wüste, die entsteht, wo ich den anderen ausblende. Verdorrt, ausgetrocknet, rissig, versandet, verstaubt und unfruchtbar ist diese Art zu leben, selbst da, wo man sie mit grellbunten Farben überlackiert, aufhübscht oder wegdiskutiert. Wüste bleibt Wüste – ob ich sie erkennen will oder nicht. Noch schlimmer, wenn die Religion missbraucht wird, um in anderen Schuldgefühle zu erzeugen. Das ist nicht Gottes Plan – sich selber einzugestehen aber schon.
Dort kann echter, tiefer Trost entstehen, durch
2. Das Wort
Die Straße des Trostes hat eine einzigartige Statik, haltbarer als Stahlbeton. Das Gras verdorrt, die Blumen verwelken, aber das Wort unseres Gottes bleibt gültig für immer und ewig.“
Gottes Wort garantiert die Tragfähigkeit. Die Straße des Trostes ist kein billiger Ausweg aus selber gemachten Problemen. Die Straße des Trostes ist der einzige Weg der bleibt, wenn alle anderen Gassen zur Sackgasse geworden sind. Gottes Trost wird gerade darin zum starken Trost, dass er wird in Echtzeit, bei wirklichen Schwierigkeiten im wirklichen Leben. Eben darin liegt ein gewaltiger Unterschied zu allen anderen billigen Trostpflastern. Gottes Wort ist kein „Kopf hoch, wird schon wieder“ nach dem Aufmunterungsprinzip. Auch kein: „Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ So schön das klingt, so wenig ist es dafür tauglich, echter Trost zu sein – gerade dann, wenn von irgendwo eher irgendwie gar nichts kommt oder noch mehr als man ertragen kann. Die Straße des Trostes ist kein Boulevard der schönen Worte oder rosaroten Versprechungen. Es ist manchmal nicht halb so schlimm, sondern doppelt so schlimm, wie es aussieht, und es gibt Situationen, in denen der größte Optimist nicht mehr weiter weiß.
Genau da fängt Gott in Christus erst an: am Ende meines Optimismus. Es steht nirgends geschrieben, dass ein Christ nicht optimistisch sein darf. Optimismus ist bestenfalls die halbe Miete. Was mach ich sonst, wenn mir die Felle davon schwimmen, wenn ich erkenne, dass ich die Ziele meines Lebens nicht erreiche, der gute Eindruck, den ich von mir hatte, langsam nachlässt, der Zahn der Zeit an meinem Felsen „Überzeugungen“ nagt, wenns draußen länger dunkel bleibt und kälter, als erwartet, und überhaupt alles so ganz anders ist, als man mir versprochen hat wenn ich aus Versehen genau falsch rum gefahren bin und gar nicht gemerkt hab, dass ich mich im Kreise dreh – wie im Labyrinth, verstrickt in falsche Erwartungen und zu hohe Träume, irrige Ideen. Die Straße des Trostes braucht man nicht dann, wenn man sich einbildet, falsch gefahren zu sein, sondern wenn man falsch gefahren ist. Wenn die letzte Eigentrostreserve verbraucht ist, fängt Christus an.
Der Tröster, den der Vater senden wird, ist kein Vertröster, sondern ein echter Mann des Zuspruchs – nicht nur für die eigene, ganz persönliche Trostlosigkeit, sondern für die Trostlosigkeit der Welt, die mich umgibt. Es entsteht auch ohne meine Schuld Trostlosigkeit, Dunkelheit und Wüste in der Welt, Entsetzen, das mich sprachlos macht. Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier – dann steht der nächste Selbstmordattentäter vor der Tür – und keiner kann etwas dafür. Man muss nicht Trump oder Putin heißen, um Schuld am Elend der Welt zu sein. Es ereignet sich von ganz allein, in Syrien, im Kongo und in Afghanistan. Wollte man eine Liste der Trostlosigkeiten anfertigen, würde wohl der Papiervorrat ausgehen. Starken Trost brauche ich auch dann, wenn ich gar nichts dafür kann, auch dann, gerade dann, wenn das Unheil überraschend über mich hereinbricht, aus dem Nichts auftaucht und mir den Schlaf raubt. Wenn das Böse unerklärbar ist wie blinder Hass und fanatische Wut, auch dann braucht es Worte, die schwerer wiegen als alle Worte dieser Welt.
Es braucht diese neue Straße, den
3. Asphalt für die Ewigkeit
In Christus will Gott einen neuen Weg. Er baut eine völlig neue Straße zum Menschen, breiter, gerader, schneller. An Weihnachten wird die Sache konkret. Da wird nicht länger verhandelt oder geprüft, da ist Baubeginn. Die Straße des Trostes kommt in die Welt, schafft eine neue Verbindung von Gott zu uns und umgedreht, beidseitig befahrbar. Es beginnt schon vor zweitausend Jahren, dauert immer noch an und reicht in die Zukunft hinein. Die Straße des Trostes soll eine alles mit allem verbindende, weltumspannende Straße, eine unendliche Piste sein durch Raum und Zeit. In Christus entsteht Gottes Asphalt für die Ewigkeit. Auf dieser Straße werden wir, wer wir wirklich sind: getröstete Tröster. Auf dieser Straße ereignet sich Gott. Christus blendet die Schuld nicht aus, ganz im Gegenteil. In Christus finden wir Kraft, unsere Schuld anzuschauen. In Christus steht Gott für uns gerade, weil keiner von uns für sich selber gerade stehen kann. Nicht durch Schönreden, Ausblenden oder Überdröhnen, sondern durch Geradestehen für uns entsteht der einzige, wirklich brauchbare, der echte, tiefgreifende Trost, der Trost, der seinen Namen auch wirklich verdient, die Straße auf der man fahren kann. Gott steht für mich gerade. Das allein vermag die Welt zu trösten, dass einer da ist, der sie einfach wegwischen kann, die Schuldenberge von heute, damals und morgen.
In Christus entsteht eine Straße, die die Welt verändert, stärker als es die Europabrücke oder irgend eine andere Straße kann. Die Straße des Trostes ist ein interaktives Bauwerk, das alle verwandelt, die es benutzen. Auf ihr sind alle Menschen gleich, gleichermaßen untröstlich, gleichermaßen getröstet, gleichermaßen zum Tröster geworden. Auf der Straße des Trostes gibt es keinen Unterschied, weil alle Menschen gleichermaßen auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind. Die Straße des Trostes ist die einzige Straße der Welt, die unser Denken in dieser Weise verändern kann. Gott bricht sich Bahn zu uns. Es gibt eine neue Schiene, die Straße der Verwandlung.
Vor tausenden Jahren hat Jesaja in einer Vision erkannt, dass so eine Straße kommen wird, einen unendlichen Weg der Barmherzigkeit, der alle, die sie genießen, gleichermaßen zu Bauarbeitern des Trostes macht. Somit spornt der Ruf des Propheten in der Wüste heute noch an: „Bahnt dem Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut eine Straße durch die Steppe für unseren Gott.