-Br. Markus- 2. Mose 3, 1-10
„Hallo … ist hier die 110 …. Ja, bei mir brennt’s … Schon, aber nicht richtig …. Ja, eigentlich nicht. Ne – es brennt irgendwie nicht richtig… Ja, er brennt, aber er verbrennt nicht. … Was meinen Sie? … Ja, ich hab auch schon gegoogelt, was für eine Art Feuer das ist, aber irgendwas stimmt hier am Berg nicht, ich hab keinen richtigen Empfang…. Was? …. Ich hab nix geraucht …. Also, hören Sie mal!“
So oder so ähnlich würde es sich heute anhören, wenn der Dornbusch brennt – nicht nur brennt, sondern auch spricht. Entweder ein Fall für die Feuerwehr – oder den Arzt, wie man das eben so macht, wenn einer Stimmen hört und keiner spricht.
Bei Mose ist es anders, ganz anders sogar. Er nimmt ein ganz außerordentliches Ereignis zum Anlass, seinen Lebens- und Karriereplan total zu verändern aufgrund einer einzigen Begegnung, einer Begegnung der anderen Art. Er gründet damit eine Tradition, die noch heute in der christlichen Kirche lebt: die Tradition, sich zur Verfügung zu stellen, die Tradition der Bereitschaft.
1. Wo Gott mich braucht
Mose ist nicht auf dem Selbstfindungstrip im Ayersrock im Ulurukatapark, um zu überlegen, wie er sich am besten selbst verwirklichen könnte. Schon klar, man findet die Arbeit, die man liebt, nicht über Nacht. Es geht ja auch nicht nur um Arbeit. Überhaupt läuft bei Mose einiges anders, als es heute so laufen würde. Er ist keiner von denen, die sich ein Leben lang alle Türen offen halten, um nichts zu verpassen. Schafe hüten am Horeb ist eher ein Aussteiger- als ein Karriereplan. Der Mörder Mose, der den Aufseher erschlagen hat, davor höchstrangiger Offizier in der Streitmacht des Pharao war – jetzt Schafe hütend – eher unter- als überfordert. Es ist nicht seine Idee, vom Führer der Schafe zum Führer des Volkes aufzusteigen. Es ist nicht seine Idee, geboren in der Hitze der Wüste, auf krause Gedanken gekommen, es ist Gottes Plan.
anders, als Mose sich denken kann,
anders als er will,
anders, als er sich gedacht hat.
Berufung durch Gott ist meistens anders, als ich mir das gedacht hab. Lebenspläne werden von mir selbst entwickelt. Gottes Plan wird von Gott gemacht, kommt von außen auf mich zu. Natürlich ist meine innere Stimme mit im Spiel. Es ist aber nicht meine innere Stimme, die mich beruft. Soviel kritische Auseinandersetzung mit mir selber muss sein. Es ist nicht die innere Stimme des Mose, die ihn zum Führer macht, sonst wäre die Welt bald voller Führer – eher dann Verführer – wie immer man das nennen mag. Gott beruft Mose. Das ist der Unterschied. Es ist nicht die Besinnung auf seine Stärken oder Begabungen. Mose sieht sich für den Job als unbegabt. Es ist Gottes Anruf. Es ist nicht das, was sich richtig anfühlt oder viel verspricht, es ist Gottes Wort allein. Wo Gott mich braucht, sagt ER, nicht ich, alles andere wäre Selbstbetrug.
Zum Professor an der Universität wird man von der Universität berufen, nicht aus dem Bauch heraus. Gott beruft mich, nicht ich. Es ist ein Wort, das er zu mir spricht. Ich bin die Antwort, nicht das Wort. Meine Idee ist richtig und wichtig, aber ER ist der erste Impuls, wichtiger als ich. Er kennt mich besser als ich. Er sieht Dinge in mir, die ich nicht sehen kann. Auch wenn ich zu nichts zu gebrauchen bin, hat Gott einen Plan, weil er das wahre Potential in mir sieht, das größer ist, als ich glauben kann. Es ist immer wieder in der Bibel von gewaltigen Karrieren die Rede. Trotzdem ist nicht jeder ein Mose oder David, der vom Hütejunge zum Kanzler wird.
Es ist kein Schema, das Gott anwendet, kein 7-Stufen-Plan, wie jeder schnell zum Führer von irgendwas wird. Berufung ist mehr, ist nicht der göttliche Weg ins Glück mit mir. Berufungsgeschichten der Bibel sind auch Berufungen zu 40 Jahren Wüstenwanderung mit einem motzenden, unzufriedenen Nörgelhaufen an der Backe, der irgendwie immer blöde Probleme macht. Berufungen der Bibel haben selten den Charakter von Höhenflügen, eher den von beinharten Enttäuschungen. Gottes Weg mit mir führt mich nicht aufs Traumschiff, sondern aufs Kamel in die Wüste – jedenfalls bei Mose. Der Ruf ereignet sich mitten im Alltag, auf der alltäglichen Suche nach besserem Futter für die Schafe, also nicht bei einer Sitzmeditation im Sonnenaufgang, sondern bei schnöder, absolut stinknormaler Arbeit. Beim Schwitzen unter Schafen ist es ganz plötzlich da, das Gotteswort. Es kommt unerwartet, dass Gott spricht. Mose meditiert den brennenden Dornbusch nicht herbei. Gott spricht aus dem Dornbusch in den Alltag. Das macht den Alltag sehr plötzlich zum heiligen Raum der Begegnung. Ganz plötzlich wird die Ziegenwiese zur Kathedrale, zum Ort, an dem Gott vernehmbar wird – ein gigantischer Augenblick, der Moment der Herausforderung mindestens, eher der Überforderung.
Gott weiß, wo ich gebraucht werde. Dort
2. Ist mein Platz
Darum geh nach Ägypten, Mose! Ich sende dich zum Pharao, denn du sollst mein Volk Israel aus Ägypten herausführen!
Zum eigenen Pflegevater gehen, ihm sagen, dass jetzt Schluss ist mit DDR und Verstoß gegen jede gängige Konvention – und dann abhauen mit zigtausend Mann – es ist kein Traumjob, der auf Mose wartet, lebensgefährlich und unbequem. Der Exodus, der Weg durch die Wüste, wartet, nicht die Kreuzfahrt an Bord der „MS-Halleluja“.
Wir hatten ja jetzt die Gelegenheit, mit einer schönen Fähre ein paar Kilometer zu fahren. Das fühlt sich schon gut an, wenn dann der Kellner artig fragt „Bevorzugen Sie das Steak eher medium oder well done, Sir?“ Meine Schwestern haben mich noch nie „Sir“ genannt, das wollen wir jetzt aber demnächst einführen.
40 Jahre Wüste sind Gottes Programm für Mose und sein Volk. 40 Jahre Probleme auf dem Weg in ein gelobtes Land, das so verschwommen am Horizont schimmert, wie für Columbus sein Amerika. Kein Wunder, dass Mose nicht gleich total begeistert ist. Der Job, den Gott zu bieten hat, ist eher schwierig. Er überfordert nicht direkt, sieht aber schon wie eine Überforderung aus. Gott verspricht nicht, Mose glücklich zu machen. Er verspricht eine sinnvolle Lebensaufgabe – das ist ein Unterschied. Berufung ist nicht dazu geeignet, eine Glücksgarantie zu geben. Es macht aber glücklich, Erfüllung zu finden, die in jeder gelebten Berufung ist. Trotz allem ist es auch ein schmerzhafter Weg, weil jede gelebte Berufung auf Unebenheiten stößt, auf Dürre und Hitze der Wüste.
Jede religiöse Strömung, die vergisst, dass Israels Weg durch die Wüste geht, geht in die Irre. Es ist der von Gott gewiesene, somit von Gott unterstützte Weg, der Weg, auf dem er sich erweisen wird und kann. Er ist deshalb kein trostloser Weg und auch keine Überforderung, weil Gott speziell in der Wüste für die Wüste fit macht, so, dass man in der Wüste den wüsten Leuten trotzen kann. Das ist das Geheimnis des Exodus, das Gott auf der Strecke seinem Volk offenbaren will, dass es sich lohnt, sich in die Abhängigkeit Gottes zu begeben, obwohl diese Abhängigkeit manchmal wehtut. Gott will Mose für die Wüste. Er macht ihn fit für die Wüste, so, dass er vorausgehen kann.
Mose fehlt alles, was man für so einen Job braucht. Er hat weder den „Master of Sand und Steine“ noch den „Bachelor für Disteln, Dürre und Trockenheit“ – von psychologischer Betreuung störrischer Israeliten ganz zu schweigen.
Alles, was er brauchen wird, liegt in Gottes Hand, der Hand des Rufenden. Es braucht nur
3. Meine Bereitschaft
Herr, da bin ich.
Mose stellt sich dem Ruf, dem rufenden Wort aus dem Dornbusch. Natürlich ist da auch Angst, Neugier. Natürlich sind da auch viele Bedenken vor so einem riskanten Job. Mose ist eben keiner von denen, die mit Begeisterung in glühende Kohlen springen, um den anderen zu zeigen, was für ein toller Hecht er ist. Im weiteren Verlauf des Textes bringt Mose eine Menge Bedenken ein, die jeder ganz normale Mensch hat bei so einem Riesenprojekt. „Herr, da bin ich“ und „Herr, ich kann nicht“ sind von ein- und demselben Mann gesprochen. Mose weiß, dass der Hut zwei Nummern zu groß ist, den er tragen soll. Er ist kein unerschrockener Held des Glaubens, der ohne zu zucken losreitet, unerschrocken, voll felsenfester Gewissheit. Mose sagt nicht: „Heute gehört uns Ägypten, und morgen des ganze Suezkanal.“ Ne, so läuft das nicht. Die Bereitschaft, aufzustehen und loszugehen, ist immer ein Kampf. Seit Mose ist das so, ist heute noch so.
So manch einer, der begeistert losgerannt ist, ist steckengeblieben, als die Begeisterung nachgelassen hat. Im heißen Sand der Sahara stirbt die Begeisterung schneller, als man glaubt. Allein der Glaube kann helfen, die Wüste zu durchqueren. Es ist keine Schande, einzugestehen, dass man dabei nicht immer voll felsenfester Gewissheit ist. Mose ist das nicht. Der Katalog seiner Einwände füllt nahezu zwei weitere Kapitel der Bibel. Er weiß, dass es schief gehen kann. Jeder, der sich auf den Weg der Berufung macht, weiß, dass es nicht einfach ist.
Auch wenn es heute nicht der brennende Dornbusch ist, der zu uns redet, so ist doch das Wort Gottes dieselbe Kraft, dieselbe Herausforderung. Jeder kann sie hören, der sie hören will. Die Stimme der Berufung ist heute noch zu vernehmen – auf andere Art, aber immer noch da, wo ein Mensch wirklich still genug ist, um zu hören – still im Sinne von aufmerksam für das, was Gott in Christus wirklich zu sagen hat. Es geht nicht um stille Selbstbespiegelung, es geht um stille Erfahrung des rufenden Gottes.
„Wer durch keine Tür geht und keinen Schritt nach vorne tut, dem fallen Jahr für Jahr die Türen eine nach der anderen zu“ erkennt Paul Roth in einem Gedicht.
Es ist ein lebenslanger Prozess, Berufung zu finden, in Erfahrung zu bringen, wo Gott mich braucht, wann, in welchem Augenblick, zu was. Es braucht dann keine Helden mehr, nur einen einzigen, eher schlichten Satz: „Herr, da bin ich.“