Lukas 5, 1-11 – Br. Markus
Das kann dauern … stundenlang dauern …. bis … der Fisch anbeißt. Für mich ist das nichts, zumal, wenn das Erfolgserlebnis eine schlaffe Forelle ist, die es geschafft hat, die Chemieabfälle im Fluss zu umschwimmen, um dann doch auf den Wurm am Haken hereinzufallen. Vom großen Fang kann sowieso nicht die Rede sein.
Unsere Wirklichkeit fühlt sich anders an – wie einsames, anstrengendes Warten auf sichtbaren Erfolg – darauf, dass die Mühe sich lohnt. Menschenfischer werden und sein – im heutigen Predigttext geht es weniger um Fisch und um prall gefüllte Netze. Es geht um das Wort, das Christus spricht, das Anfang und Ziel einer jeden Berufung ist.
1. Auf Christus angewiesen
Fürchte dich nicht, du wirst jetzt keine Fische mehr fangen, sondern Menschen für mich gewinnen.
Jesus beruft seine ersten Jünger. Es ist eine Berufung heraus aus dem eigenen Lebensplan, heraus aus der Erfahrung, heraus aus dem Dichten und Denken um die eigene Person, raus aus dem Gewohnten. Berufung durch Christus durchkreuzt die anderen Rufe der Zeit und Zeitgenossen. Gottes Ruf er ereignet sich. Er lässt sich nicht herbeidenken wie die Frage: Werde ich lieber Angler oder Fischer?
Berufen wird man nicht, weil man sich das vorstellen kann, es will oder schön fände, sondern weil Christus es will. Petrus wird Menschenfischer, weil Christus es ihm zumutet. Menschenfischer beauftragen sich nicht selbst, sie sind angewiesen auf Christus. Menschenfischer ohne Christus wären bestenfalls Rattenfänger. Menschenfischer müssen christusgemeinschaftsfähig sein. Christus will nicht Menschen ohne eigne Meinung, sondern Menschen, die ihre Meinung in ihm bilden. Er will Menschen, die ihre eigene Intelligenz vor seiner Intelligenz zurückstellen. Er will Menschen, die erkennen, das es Synchronisation zwischen ihm und uns geben muss.
Menschenfischer werden und sein – Petrus und seine Begleiter sind Fischer ohne Diplom. Rein statistisch gesehen befiehlt Jesus zum ungünstigsten Zeitpunkt einen Fischzug. Absolut unverschämt. Es widerspricht jeder Berufserfahrung. Es wirkt aussichtslos.
Ich hab mir mal ganz privat und nur auf theoretischer Basis die Frage gestellt, ob ich bereit wäre, morgens früh um 2.30 Uhr einen Marktstand in einer Tiefgarage in Stuttgart aufzubauen. Es könnte schon sein, dass Kunden kommen, aber nur vielleicht.
Unmöglich ist die Forderung von Jesus. „Auf dein Wort will ich es wagen“ sagt Petrus. Er ist Fischer – aber welcher Fischer fährt schon auf das Wort eines Touristen zu einer Uhrzeit raus, von der jeder weiß, dass es nichts zu fangen gibt. Ist er der Typ, der auf das Wort eines Nichtfachmanns zum Fischen zieht? Im Nachhinein haben sicher alle immer schon gewusst, dass doch ein paar Fische immer schon in Ufernähe waren – aber vorher?
Sicher, man könnte hergehen und sagen: Je verrückter, desto christlicher und umso wunderbarer. Petrus riskiert eine dicke Blamage in Fischerkreisen. Er fährt raus. Er ist keine Spielernatur – wäre er das gewesen, dann hätte er am Schluss aufgetrumpft.
Petrus erschrickt.
Er entdeckt, dass er
2. Von Christus geachtet ist
Sie warfen ihre Netze aus und fingen so viele Fische, dass ihre Netze zu zerreißen drohten…..bald wahren beide Boote bis zum Rand beladen, so dass sie beinah sanken.
Voller Erfolg – und Perus erschrickt. Es gibt zwei Momente, in denen Petrus schaudert. Als der Hahn das dritte Mal krähte – und heute im Text.
„Herr, gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch.“
Petrus ist schockiert, so geschockt, wie ein Mensch nur sein kann, wenn er seine eigene Größe neben der Größe Gottes sieht. Der Menschenfischer Nr.1 ist ein von sich selbst über sich selbst Erschreckter. Petrus zuckt zusammen, als er erkennt, was eine Unmöglichkeit ist: das Nebeneinander Gott und Mensch.
Es ist nicht nur der Schreck über die eigene Dummheit oder das Entsetzen, etwas falsch gemacht zu haben. Es ist nicht nur der große Schreck des Menschen vor Gott überhaupt. Es ist ein heiliger Schreck. Schreck vor der Vollkommenheit Gottes, der Größe seiner Gedanken. Nicht nur das.
Petrus erkennt, dass Gott unheilige Menschen zu einem Job ruft, für den Heiligkeit die Grundvoraussetzung wäre: Menschenfischer zu werden und zu sein. Kein Unternehmer dieser Welt würde Mitarbeiter einstellen, deren Zuverlässigkeit nicht erprobt ist.
Der Gotteswahnsinn heißt Liebe. Wertschätzung ist es, die er uns entgegenträgt – denen, die auf dem Weg sind zu ihm. Nicht die toten Heiligen sondern die lebendigen Sünder sollen Menschenfischer sein.
Das bestimmt die Struktur der Kirche. Nicht die Überflieger, nicht die kühnen Sieger, sondern die über sich selbst Erschrockenen und Barmherzigkeitsfaszinierten sollen Menschenfischer sein. Die Christus-Hierarchie ist einer Hierarchie der innehaltenden und überprüfenden, sich fragenden und Rechenschaft gebenden Menschen. Sie finden Vertrauen – nicht irgendwann und irgendwie sondern in der Beziehung zu ihm.
Petrus ist kein Einzelfall. Schon bei Mose und Jesaja gibt es Erstaunen über Gottes Gewalt und Vertrauen. Christus vertraut uns – obwohl er weiß, dass wir viel zu ängstlich sind, mit dem Boot nochmal rauszufahren.
Christus vertraut uns – obwohl er weiß, dass uns die Vorstellungskraft fehlt.
Christus vertraut uns – obwohl er weiß, dass unser Verstand Richtung Misstrauen tendiert.
Er vertraut uns – obwohl sowieso immer alles schiefgeht, wir sowas noch nie gemacht haben
Er vertraut – obwohl keiner von uns Vertrauen wirklich verdient
Jesus Christus mutet der Kirche zu, dass in ihr Berufene Dienst tun, die selber noch Probleme damit haben, diesen Dienst tun zu können, die sich nicht trauen.
Erschrocken erstaunt findet Petrus Christusvertrauen. Sein Selbstvertrauen wird zum Christusvertrauen verwandelt. Für Menschenfischer gibt es deshalb nicht die Frage, was ich mir selbst zutraue, sondern nur die Frage, was Christus mir zutraut – und das ist mehr, als Mann und Frau so glauben kann. Das, was ich mir zutraue, passt auf einen Angelschein. Das, was Christus mir zutraut, überfüllt Boote, so dass sie zu versinken drohen.
Christusvertrauen wird konkret in
3. Der Berufung
Du wirst von jetzt an keine Fische mehr fangen, sondern Menschen.
In Gottes Wort liegt ein neues Programm, Gottes Programm für Petrus. Es ist nie für alle gleich, es ruft alle gleichermaßen zum Leben.
„Schluss mit Fisch“ sagt Jesus zum Fischer.
Was ist mit uns, wenn Christus „Schluss mit Holz“ zum Schreiner
oder „Schluss mit Blume“ zum Gärtner sagt?
Hören wir ihn noch, den Messias vom See Genezareth, wenn „Schluss mit Studium“ zum Studenten oder „Schluss mit Ruhestand“ zum Rentner, „Schluss mit Wochenende“ zum Urlaubsmensch gesagt wird? Du sollst ab jetzt ein Menschenfischerfängergewinnerüberzeuger sein.
Christus nimmt Petrus, ohne zu fragen, ganz und gar, mit Haut und Haaren. Soll das ein Gott der Liebe sein? Wo bleibt das Mitspracherecht, die Diskussion und die gute Überlegung, wo die Probezeit und überhaupt?
Menschenfischer werden und sein
Jesus selbst ist Menschenfischer, er hat für die ganze Welt den Angelschein. Er ist gewinnend – aber nicht im Sinne eines Vorbildes, das frei gewählt werden kann. Christus ist konkret. Christus ruft konkret.
Nicht nur damals, weit weg am See Genezareth, sondern auch heute ganz nah – auch zuhause, daheim – klar, direkt – er beruft, Menschenfischer zu sein. Auch alle die, die gerne solo unter der Neckarbrücke leise und unauffällig vor sich hin angeln, aber auch solche, die von sich glauben, hochseetauglich zu sein.
Christus ruft – Menschenfischer werden und sind nicht die Perfekten, sondern die, die auf sein Wort, trotz aller Zweifel, trotz aller Bedenken, trotz aller guten Tipps, trotz der besseren Erfahrung und allem guten Wissen, den Versuch wagen.
Christus ruft. Für einen Berufen gibt es den Verlust der eigenen Freiheit nicht. Es gibt nur eine neue Verantwortlichkeit, die aus dem Vertrauen entsteht, das Christus uns schenkt. Ein verdrossenes „Nicht dürfen – können – oder – wollensollen-Fischerdasein gibt es nicht. Es gibt Vertrauensbezeugungen im gegenseitigen Einverständnis. Christus vertraut mir. Er hat von mir einen Vertrauensversuch verdient. Christus achtet mich. Er hat von mir einen Achtungsversuch verdient.
Menschenfischer sind Menschen, die sich von Gott gefangen nehmen lassen. Es gibt bei Gott keine Sklaverei . Wer aber von seiner Zuneigung erfast ist, der wird zum Sklaven dieser Überzeugung und somit zum Fischer, zum gewinnenden Kollegen von Petrus.
Dabei gilt die Devise: Lieber mit Christus in einem Boot als mit der Angel unter der Neckarbrücke – auch und gerade dann, wenn die Netze nicht zum Bersten voll sind, die Bänke leer bleiben und keiner Beifall klatscht. Amen