Lukas 1, 67+68,76-79 (Fridolin Stier)
Da fährt die alte Dampfeisenbahn in vollem Tempo auf eine Stahlbrücke zu. Mittendrin sind die Schienen unterbrochen. Per Kopfkino steht dem Betrachter die Katastrophe vor Augen. Jeder sieht den Absturz kommen, auf den die ahnungslos Reisenden zusteuern. Doch im Moment der Überfahrt, wird der Abgrund mit zwei gleisenden Lichtschienen überbrückt und keiner bekommt nicht einen Funken davon mit, welche Gefahr gerade an ihnen vorübergegangen ist.
Zaharias entdeckt auf geheimnisvolle Weise, wie er mit seinem frischgebackenen Sohn, Licht über menschliche Abgründe legt.
1. Eine Sonderlieferung
Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat hergesehen und sein Volk erlöst.
Zacharias im Vater-Glück. Er blickt auf seinen Sprössling Johannes und jubelt. Wir kennen viele Väter, die aller Welt voller Stolz ihren Stammhalter präsentieren. Da schwappt schon mal die Freude an einen gesunden Sohn gewaltig über. Da feuert die Dankbarkeit Leuchtraketen, wie ein Silvesterfeuerwerk in den Himmel. Ein Vater im Vater-Glück.
Dieses Vater-Glück hat jedoch bei Zacharias noch eine ganz andere Dimension. Sein tiefstes Glück ist es, sich in der Erbfolge Davids zu stehen. Sein Sohn ist nicht sein eigenes Kind, sondern damit besucht Gott seine Kinder. Mit dem kleinen Winzling liegt Gottesgeschichte in seinen Händen. Sein Kind trägt die Züge des alten Vaters Abrahams, von Jesaja, oder dem König Salomo. Es wird ihm heiß und kalt, bei dem Gedanken, dass in diesem Augenblick eine Zeitenwende beginnt. Er sieht sich als Handlanger in einer Geschichte, die Jahrhunderte vor ihm, in Geschichtsbüchern verewigt wurde. Sein Lobpreis ist das fassungslose Erkennen: Hier kommt die größte Antwort, auf all die Lichter, die in dieser Welt ausgegangen sind. Sein Sohn wird dem einzigartigen Friedensfürsten, dem Wunderbar-Rat und Gott-Held Platz machen. Sein Sohn bahnt dem Licht den Weg, das als Sonderlieferung in eine Krippe fällt.
Damit wird ihm auch klar, was hier geschieht.
2. Von höchstem Interesse
Du, Kind: Prophet des Höchsten wirst du gerufen.
Wie gewonnen, so zerronnen. So wie er seinen Sohn bekommen hat, verliert er ihn gleich wieder. Er wird nicht seinen Namen Zacharias tragen, sondern Johannes heißen, was mit der bürgerlichen Herkunft überhaupt nichts zu tun hat. Du wirst Prophet des Höchsten gerufen heißt, ich habe keinerlei Anspruch auf meinen Jungen. Er kam mit völlig anderer Zweckbestimmung auf die Welt, als ich mir das vielleicht gewünscht hätte. Soviel zum Thema: Mein Bauch gehört mir.
Im Angesicht seines Sohnes wird ihm klar: Für sein Leben macht ein anderer die Pläne. Das Vater- und Bestimmungsrecht liegt weiter oben. Er hat zwar ein Kind, steht jedoch als leiblicher Vater in der zweiten Reihe. Wo Gott sein Auge auf ein Kind wirft, verlieren die Erzeuger ihr Mitspracherecht. Wieviel Söhne und Töchter lebten nicht ihre Berufung, weil Eltern an die Unternehmensfolge in der fünften Generation dachten?
Wo das Kind zum Propheten des Höchsten bestimmt ist, können sich Mütter und Väter nur zurückhalten. Jedes Kind ist Kind Gottes, und damit verlieren menschliche Interessen ihr Gewicht. Wo Wegbahner für das Licht geboren werden, kann es schon mal in der Familienhierarchie dunkel werden. Eine von Gott erhaltene Gabe stirbt, wo sie nicht in eine Beauftragung hineinfließt. Die vollen Gaben fließen nur, wo sich einer seiner Wahrheit bewusst wird: Ich bin Kind Gottes. Wenn du Kind Gottes bist, bist du Prophet des Höchsten. So wirst du gerufen.
3. Der bahnbrechende Weg
Denn dem Herrn gehst du voran, seine Wege zu bereiten.
Gerade in dieser belasteten Adventszeit, erleben wir größten Lichthunger. Sie schmücken sich mit Lichterketten von außen und glauben, dass dadurch die Augen von innen leuchten. Die Sehnsucht nach Licht, wenn Amokfahrer durch die Fußgängerzone rasen, ist riesig.
Da sind Licht Bahner gefragt. Es braucht Menschen, die Licht sind. Menschen, die nicht mehr auf das Licht von außen warten, sondern erkannt haben, dass Licht in ihnen wohnt, dass sie Propheten des Lichtes sind.
„Lass unbeirrt den äußeren Schein zerrinnen!
Das Licht, das niemals irreführt, ist Licht von innen.“
Julius Rodenberg, Schriftsteller
Gotteskinder werden sich bewusst, dass in ihnen Licht geboren ist. In ihnen kommt das Christus-Licht zur Welt. Damit sind sie das Licht der Welt. Die viel größere Wahrheit über die Welt, kommt aus dem inneren Schauen. In diesem inneren Schauen, in dem Licht sein, wirken wir in alle Finsternis.
Finsternis kann kein Mensch mit dem Blick auf die Katastrophen dieser Welt überwinden. Finsternis ist die antrainierte Beschränkung des menschlichen Geistes, die nur noch innerhalb der irdisch, vorgegebenen Normen denkt. Finsternis verkauft uns diese vergängliche Welt als die Wirklichkeit, die wir nun mal zu durchleiden haben. Wo du auf Finsternis, auf das Problem schaust, wirst du zur Finsternis und zum Problem, weil wir das werden, was wir anschauen.
Die zarten Lichtstrahlen einer aufregenden, unbekannten Welt des Glaubens, die in uns aufsteigen wollen, übersehen wir, bekämpfen oder belächeln sie, weil wir uns ja der Realität stellen. Advent will uns zum Christus-Licht in der amoklaufenden Welt machen. Finsternis braucht die Johannesse, die den eingefahren, routinierten Menschen, Wege des Geistes und des Lichtes aufreißen. Glaubende erkennen ihre adventliche Berufung. Sie bahnen Hoffnungswege durch ihre eigene Angst und die Nacht der Welt. Sie legen eine Schiene aus der ewigen Welt in diese Welt. Sie überbrücken die Abstürze der Aufgescheuchten.
Wagen wir es doch, in aller Krisenstimmung, Menschen an die Hand zu nehmen und sie durch ihre Ängste zu tragen. Sei das Licht, nach dem alle rufen, dass in der Finsternis ein Lobgesang entsteht.