Unerschütterlich

Matthäus 7, 24-27/ Br. Markus

„Mir passiert sowas nicht“ hab ich immer gedacht. Aber – o Schreck – auch uns wurde in Frankreich das Auto gestohlen, auch uns ist das Haus abgebrannt, auch uns hat der Hagel die Gärtnerei platt gemacht.

Wer hätte das gedacht! Man kann versuchen, es zu ignorieren, zu überdröhnen oder davonzulaufen. Besser wird des davon nicht. Natürlich – ein deutscher Junge weint nicht. Heutzutage heißt es: Es lebe der Sport, er ist gesund und macht uns alle hart. Und wer richtig modern sein will, zelebriert ein Aufstehritual, das in unschlagbar macht. Im Esotherikshop gibt es hochwertige Angebote, aus ganz eigener Kraft Macht zu generieren, der keine Macht der Welt etwas anhaben kann. Flink wie die Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl ….

Ich predige heute das Angebot der Bibel, das deutlich preiswerter ist und vor allem besser funktioniert.

„Das kluge Angebot“ nennt es Jesus. Wer klug ist, ist
 

1. Auf Wassermassen gefasst

Denn wenn ein Wolkenbruch kommt, die Flut das Land überschwemmt und der Sturm um das Haus tobt …

Zuallererst räumt Jesus einen weitverbreiteten Irrtum aus. Es  steht nirgends geschrieben, dass man nicht nass wird an Gottes Seite. Ganz im Gegenteil. Auch der Glaube kommt in den Sturm –  nicht selten und so stark, wie alle anderen auch. Gerade wer glaubt, stärker als der Sturm zu sein, wird weggespült.

Die Autobahn A 61 ist von Meckenheim bis Kerpen gesperrt. Ein Arzt, der sich mit seiner Frau auf einen Baum retten konnte, musste zusehen, wie Frau und Kind von den Fluten mitgerissen wurden, weil sie sich nach mehreren Stunden auf dem Baum nicht mehr festhalten konnten. Dieser Tage bei Erftstadt. Unglaubliche Zerstörungskraft des Wassers. Das Schicksal schlägt so grausam zu, dass Worte fehlen, zu erklären warum oder wozu. Es muss nicht einmal die große Sintflut sein. Es gibt immer wieder Ereignisse im Leben, die eben nicht mit Parolen oder Strategien zu bewältigen sind. Die Wassermassen sind stark, nicht nur stark, sondern stärker – mindestens als ich.

Jeder, der das ignoriert, baut auf Sand. Der Glaubende ist nicht so stark wie der Sturm, in den er geraten kann. Christus predigt nicht den sanften Höhenflug, weil er weiß, wie wenig das tragen kann. Ganz sicher sind wir stark, aber wir sind nicht so stark wie der Wind, der uns ins Gesicht bläst. Wer behauptet, stärker zu sein, gleicht einem Narr, der seine Patente anpreist. Christus differenziert scharf, erschreckend und unzumutbar – wie viele meinen. Er erzählt nicht nur das Positivbeispiel vom felsigen Untergrund, sondern gleichzeitig das Negativbeispiel vom Sand, den es wegschwemmt.

Es geht nicht um Meteorologie oder Statik, es geht um unser Selbstbewusstsein. Wer ist stärker – der Sturm oder ich? „Das Gute, das ich tun will, tu ich nicht“ sagt Paulus an anderer Stelle in der Bibel. Da schimmert etwas durch von jenem klugen Bewusstsein, das Christus meint. Es drückt sich auch aus in unserem Werkssymbol, dem Bettler. Der Sturm ist stärker als ich. Ich brauche einen, der mich festhält, der mir stehen hilft, wenn der Boden unter den Füßen bebt, wenn ich mich selbst nicht halten kann. Der Sturm ist stärker als ich. Er wird mich wegschwemmen, wenn ich keinen Stabilisierungsfaktor habe, der mich hält und hebt, aus den Wassermassen heraus.

Es wäre eine Verhöhnung aller, die Durst haben nach der Gerechtigkeit Gottes, wollte man ihnen unterstellen, nicht richtig geglaubt, gelebt oder gebetet zu haben. Es wäre eine Verhöhnung der Trauernden, wollte man ihnen sagen, dass ihnen nur die richtige Einstellung fehlt. Auch in sehr, sehr frommen Kreisen kann das passieren, wenn vergessen geht, wie stark der Sturm des Lebens ist. Klug ist, wer sein eigenes Kampfgewicht richtig einschätzt.

Der christliche Glaube hilft uns, uns als Bettler zu sehen, als Leichtgewicht, als die eigentlich Unterlegenen – wie David gegen Goliath. Ich bin derjenige, der Hilfe braucht. So, und nur so, kann ich die Welt retten.

Als Bettler werde ich zum

2. Haus, auf Fels gebaut

„Wer meine Worte hört und danach handelt“ sagt Christus.

„Der Glaube ist Ernüchterung, nicht Narkotisierung“ sagt Voigt.

Genau das ist Spannungsfeld. Wer das Wort hört und versucht, zu tun wird erkennen, dass es gar nicht so einfach ist. Es ist das Wort Gottes, das uns realitätsfähig macht, die ganze Wahrheit über uns selbst zu erkennen, die ungeschminkte Wahrheit, die, die außer mir nur Gott kennt – eben darin, dass ich ein Bettler bin, einer, der Energie braucht, einer der es vergeigt hat. Das Wort ist immer Wahrheit, somit Wahrheit über mich, der sich so gerne selbst betrügt und lieber viele kleine Lügen glaubt über sich und den Rest der Welt. Kein Mensch vermag, die Ansprüche der Bergpredigt in die Tat umzusetzen. Wir bleiben dabei immer auf Unterstützung angewiesen. Den Nächsten so zu lieben wie mich selbst kann nur durch die Kraft Gottes geschehen. Hören und tun gelingt nur mit außerirdischer Kraft. Das Haus meines Lebens kann nur stabil stehen, wo Gott selber es hält.

Ich bin dazu definitiv zu sandig. Das Wort wird da zur Tat, zum Fels, wo ich mich selber zugeben kann als einer, der es nicht kann. Das Wort kann nur zum Tatwort werden, wo ich mich als den Bettler sehe, der ich bin. Das Wort will diese Klugheit in mir gründen, die Bescheidenheit wecken, nicht mehr zu sein, als ich sein kann. Es will aber auch so unbescheiden sein, all das zu ahnen, was Gott in mir und durch mich wirken kann, was soviel mehr ist, als ich im Augenblick sehe.

Hören und Tun ist ein Gemeinschaftsprogramm – so wie Stahl und Beton. Der Beton wird stabiler durch Stahl – und umgedreht. Hören und Tun ist Gottes Statikprogramm für die Welt. Natürlich fängt es mit dem Hören an. Wer nicht hört, tut vielleicht nichts oder das Falsche. Hören ist da die halbe Miete, gerade in einer Zeit, in der jeder am liebsten auf sich selber hört und auf seine innere Stimme, die man ganz bequem zur Stimme Gottes erheben kann.

Gerade hier kommt dem Gottesdienst und der Predigt eine entscheidende Aufgabe zu, dem Bruder und der Schwester, gerade darin, dass man auch mal was hört, was eben nicht aus dem eigenen Bauch kommt. Die Bibel will keine Gebrauchsanweisung sein, die im Handschuhfach des Autos verstaubt. Viel mehr ein Ratgeber, in dem man nachschlagen kann, eine Inspirationsquelle aus außerordentlichem Raum. Wort Gottes kann aber auch von jemand kommen, dem wir es gar nicht zugetraut hätten. Es gibt eben kein Schema. Das ist das Außerordentliche daran. Es sucht unsere Zustimmung und unseren Arm, um stark zu werden in der Welt, zur Tat, nicht zum Programm oder zum Traum.

Es will ganz schweißtreibend getan sein – von alleine tut es sich nämlich nicht. Wort ohne Tat und Tat ohne Wort tut leider nicht, ist nicht mehr als eine Ideologie unter vielen – oder einfach nur ein nettes religiöses Konzept. Zum Fels wird Gottes Wort mit uns und durch uns, mit unserer freundlichen Unterstützung. Wir sind der Stahl im Beton oder der Beton um das Stahlgerüst – egal, wie man es sehen will. Wort und Tat ist das Mitmachprogramm für Menschen aller Art. Es braucht weder exklusive Sitzungen noch eine spezielle Atemtechnik. Es reicht eine ganz normale Bereitschaft, mit anzupacken, wenn Gott die Ärmel hochkrempelt – zu aller erst bei ganz normaler Arbeit. Da kann es eine heiligere Handlung sein, den Hof zu kehren, als auf Wolke 7 auf höhere Inspiration zu warten. Der Glaube an Gott packt mit an am Elend der Welt, ganz egal, wo es herauseitert, wo es uns sprachlos macht, wo es uns wegfegt, den Atem raubt, die Sicht nimmt, genau dort wird es das, was es ist: das Tatwort von dem, der gesprochen hat: Licht werde! und Licht ward. Wort und Tat kann nur in ihm zur Einheit werden, die wir vermissen in unserer Zerrissenheit.

„Es geht nicht um christliche Prinzipien, nach denen die alte Welt moralisch umzufrisieren wäre“ sagt der Theologe Voigt, „weil das Neue nur darum geschieht, weil Jesu lösendes Wort an die Sünder vernehmbar wird und nun wirklich Menschen aus dem Leerlauf und Krampf ihres Daseins als Zöllner und Sünder herausholt.“

Überall, wo das geschieht, entsteht fester Boden, Fels, auf dem die Kirche steht. Es macht uns nicht unschlagbar. Es macht uns nicht unerschütterlich. Es macht uns nicht flink wie die Windhunde. Aber es macht uns gewiss, auf festem Boden zu stehen. In diesem Sinne sind wir unerschütterlich. Amen.

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