Luk. 17, 5-6
In meinem Urlaub war ich 14 Tage im Kloster Helfta, um unter anderem an einem viertägigen Stille Seminar teilzunehmen. Das Frühstück gab es an einem reichhaltigen Buffet im angrenzenden Hotel. In den letzten Tagen meines Aufenthaltes gesellte sich eine fremdländische Gesellschaft an den Nachbartisch, die mich immer freundlich begrüßte. Von den Schwestern des Klosters erfuhr ich, dass am diesem Samstag eine deutsch/spanische Hochzeit in der Kirche stattfindet. Neugierig wie ich bin, wollte ich als Zaungast dabei sein, und erlebte dabei die freundlichen Leute vom Frühstück. Vor der Trauung kam plötzlich der diensttuende Priester durch den Mittelgang ganz nach hinten auf mich zu und wollte mich mit bei der Feier engagieren. Dankend lehnte ich ab, weil ich die Form nicht kannte und nur als Beobachter dabei sein wollte. Später ärgerte ich mich über mein Nein und die verpasste Gelegenheit, diesem Brautpaar noch etwas mitgeben zu dürfen.
1. Mir schlottern die Knie
Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
Es stresst uns, wenn immer neue Herausforderungen in unseren eh schon brechend vollen Tagesablauf hereinplatzen. Wir haben ein Problem damit, Wege zu gehen, bei denen wir hinten und vorne nicht absehen, wie das ausgehen wird und funktionieren soll. Wir scheuen, wenn wir vor eine große Menschenmenge treten sollen und mit dem sichtbar werden, mit dem wer wir sind. Immer ist da diese Angst, der Situation nicht gerecht zu werden. Die Angst zu versagen, überfordert zu werden oder das Gesicht zu verlieren. Wenn Ungewohntes kommt, ist da immer dieser Schreckmoment in uns, der uns kneifen lässt.
Als Jünger mit Jesus unterwegs zu sein ist der pure Stress. Da kommt so vieles, von dem sie keine Ahnung hatten, wie das gehen soll. Lahme aufstehen lassen, Dämonen austreiben, Sünden vergeben, Licht zu sein und den Blinden die Augen zu öffnen. Alles faszinierende Aufgaben, für die es menschlich keine Referenzerfahrungen gibt. Dinge, bei denen der Verstand rotiert und fragt: Wie geht das? Es entsteht der Eindruck, dass Reich Gottes etwas revolutionäres auf dieser Erde ist, doch für Menschen nicht machbar. Bei diesem Programm wird der normale Mensch mit seiner Ohnmacht, mit seiner Angst, mit seiner Hilflosigkeit konfrontiert.
Jesus operiert hier in einer Dimension, die für uns jenseits von Gut und Böse ist. Da geschehen Dinge, die gehen eigentlich gar nicht. Da steht selbst der mutig Glaubende mit dem Rücken an der Wand. Jesus betrachtet etwas für selbstverständlich, wo bei mir die Knie schlottern. Lieber Gott, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht mitgekommen. Du stresst mich total, mit dem was du von mir erwartest. Das kann dann nur mit dem verzweifelten Hilfeschrei enden: „Stärke meinen Glauben.“
2. Lass dich fallen
Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!
Hoppla, was ist das für eine Antwort? Er führt die Unmöglichkeit vollends ins Absurdum. Kinder, was habt ihr nur für eine Vorstellung von Glauben? Ihr verwechselt da gerade etwas gewaltig. Wenn ihr von großem und kleinem Glauben sprecht, seid ihr voll in eurem Verstand. Ihr versucht mit Logik zu erfassen, was nur mit Vertrauen funktioniert. Ihr definiert das was Gott ist, mit etwas, was in eure Ratio passt. Merkt ihr nicht, dass ihr gerade das Unendliche in euer irdisches kleines Schema presst? Das weltbewegende Gottesereignis, ist doch nicht von eurem Tun abhängig. All das was von Gott im Leben möglich ist, unterliegt keinerlei menschlichen Begrenzungen.
Bleibe nicht bei dem stehen, was du abschätzen kannst und für möglich hälst. Höre auf mit deinem Rechnen und Kalkulieren, wo es um mein Reich geht. Jesus nimmt aus allem Leistungsdenken den Dampf raus. Im Senfkorn liegt die Gewalt eines Vulkans. Dein minimaler Beitrag erschafft die ganze Welt. Es braucht einen Klacks, um Berge zu versetzen. Durch dich geschehen Wunder auf der Erde. Vergiss dabei, dass du dazu viel beizutragen hast. Du brauchst dich nicht verrückt machen. Du brauchst dir nicht alle Beine herausreißen. Du brauchst dir nicht in die Hose machen, ob das geht und du das schaffen wirst.
Das Einzige was dazu nötig ist, ist ein winziger Glaube. Es ist die schlichte Kunst, dem Leben zu vertrauen. Gib dich hin und vertraue, das andere wird schon. Wenn du dich fallen lässt, fällt dir alles Leben zu. Das Unfassbare im Leben geschieht, wo ein Herz vertraut und losgeht. Atemberaubende Schöpfungsereignisse sind die Antwort auf eine Seele, die sich hat fallen lassen.
3. Du wirst Wellen schlagen
…und er würde euch gehorsam sein.
Gott ereignet sich im glaubenden Herz. Alles was Gott von der Erschaffung der Erde, bis zum Ende der Welt möglich ist, ist durch uns möglich. Dem Glauben gehorcht die Schöpfung. Das vertrauende Herz kann sagen: Es werde und es ward. Das wird der Verstand nie kapieren, nur ein glaubendes Gemüt erleben.
Jesus legt uns die ganze Welt zu Füßen. An anderer Stelle sagt er: ihr werdet viel größere Dinge tun, als ich sie getan haben. Wir haben vor 50 Jahren mit nichts angefangen und heute steht hier ein Millionenprojekt. Am Anfang war es hirnverbrannter Wahnsinn, aber so geht Glaube. In dem Moment, in dem ich Gottvertrauen wage, darf ich meine Selbstzweifel hintenanstellen.
Der Glaube, zu dem wir hier eingeladen werden, ist das kühne Wagnis, dem Leben bedingungslos zu vertrauen, auch gerade da, wo mir die Wellen ins Gesicht schlagen. Jesus ermutigt uns, in den Herausforderungen des Lebens, nicht beim Knie schlottern stecken zu bleiben. Er lädt uns ein zu springen, sonst würde Reich Gottes Menschenwerk bleiben.
Die Kirchen werden leerer, weil niemand mehr da ist, der zum Vertrauen ins Leben einlädt, weil ein Geist, der über die Niederungen erheben will, ohnmächtig auf den Kirchenbänken kleben bleibt. Wo das Vertrauen in Leben fehlt, kann nicht sichtbar werden, was Gott möglich ist. Da bewegen sich die Glaubenden nur noch wie Adler, denen die Flügel gestutzt wurden. Wo dieses Vertrauen fehlt, bleiben wir in den Überforderungen des Lebens stecken, und verbieten den Schöpfungskräften, uns zum Wunder werden zu lassen.
Du bist das Senfkorn, das die Welt bewegen kann. Das ganze Leben wartet darauf, dass du die Vollmacht Gottes ergreifst, die dich über deine Ohnmacht erhebt. Es ist uns viel mehr anvertraut, als wir je zu glauben wagen. Du bist das Wunder, in dem Gott diese Erde betritt. Springe ins kalte Wasser, gegen alles bessere Wissen.