Das Spiel, das wir Gott nennen

25.09.22 – Jes. 12, 1-6

Glauben wir, Nonnen und Mönche sind frömmer als „normale“ Menschen? Sind sie heiliger oder kommen sie sich selbst gar nicht so heilig vor? Neulich chattete ich mit einer Nonne: Sie hatte krampfhaft damit zu tun sich klein zu reden.

Sie sei eine Sünderin > Dienerin.
– ich: „Dienerin ist die Größte von allen“
– sie: „bei mir ist das umgekehrt“
– ich: „Haben Sie eine schlechte Meinung von sich?“
– sie: „Nein. Realität“
– ich: „Realität ist, Spiegelbild Gottes zu sein“
– sie: „ich möchte, aber es klappt nicht – sie sind ein Heiliger ohne Sünde“
– ich: „wenn Sie mich so sehen, dann können Sie das nur sehen, weil Sie so sind“
– sie: „ich kann mich selber nicht sehen“
– ich: „Sie sehen sich, in dem, was Sie in anderen sehen“
– sie: „Nein, nein! Niemals.“

Was sehen wir und was sind wir wirklich?

1. Ins schlechte Gewissen…

Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest.

Warum dauert es nur so lange, bis wir begreifen, dass wir wirklich Gottes Kinder sind?

Was laufen in uns für Programme ab, die krampfhaft das kleinmachen, was von Gott groß gedacht ist? Was brodelt da in mir, dass mir andauernd ein schlechtes Gewissen einredet, wenn ich einen mutigen Schritt auf unbekanntes Land setzen will?

Als ob da einer mit einem großen roten Warndreieck mir zuwinkt und mich an all die Böcke erinnert, die ich in meinem Leben geschossen habe. Irgend so ein Vorwurfsmechanismus, hält mich auf dem Niveau meiner Menschlichkeit und zeigt mit Finger auf mich: Du doch nicht. Der donnernde Zorn Gottes liegt mir im Genick und blitzt vor meinen Augen auf. Mein Gewissen sagt mir: Gott mag das nicht, dass ich mich bei der letzten Auseinandersetzung nicht beherrschen konnte. Ich bin doch der, der stets das Gute will und doch das Böse schafft. Ja, du bist zornig über mich und hast auch guten Grund dazu, bis ich erkenne, dass ich meine menschliche Vorstellungen auf Gott projiziere. Ich erschrecke davor, wie ich meinen Maßstab auf Gott lege, der sich in allem ausdrückt, was lebt.

Gottes Zorn wendet sich dort ab, wo ich, wie es der Johannes-Prolog ausdrückt, erkenne:

„Alle Menschen sind aus Gott geboren.“  Oder Paulus sagt: „Wir gehören zu demselben Leib und haben an derselben Verheißung in Jesus teil.“

Selbst der große Mystiker Thomas v. Aquin meint, dass Gott nicht nur mit einem Teil seiner selbst gegenwärtig sein kann; denn Gott gibt es nicht in Teile. Er ist mit seiner ganzen Wesenheit in allen Dingen, mit anderen Worten: Was wir „Gott“ nennen, offenbart sich als jedes Teilchen der Materie, als jedes lebendige Wesen, und es ist das Wesen eines jeden Menschen.

Was uns bei diesen Aussagen immer Schwierigkeiten macht, ist unser Gefühl von Minderwertigkeit.

Uns wurde Religion als Moral eingetrichtert. Doch in Religion geht es um Sein, nicht um Leistung. Es geht um die Erfahrung des Göttlichen als unser wahres Wesen und das Wesen von allem.

Ins schlechte Gewissen kommt …

2. Der Dopaminkick

Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.

Wir sind immer daheim. Wir sind in dem Spiel eines leidenschaftlichen Spielers. Es ist das große „Spiel Gott“, in dem wir mitspielen.

Aber dieser Spieler sitzt nicht draußen, er vollzieht sich als Spiel. Er kreiert sich als Spiel. Es ist unsere Lebensaufgabe, gute Mitspieler zu sein und das Spiel entsprechend den Spielregeln mitzugestalten.

Unsere Vorstellungen, Konzepte, Muster und Konditionierungen hindern uns das Spiel mitzuspielen. Sie drücken uns nieder und gaukeln uns eine Welt vor, die es nicht gibt. Wenn wir merken, dass unser „Dazwischenpfuschen“ unser Leid bedeutet, hören wir mehr auf unsere Tiefe. Wir schöpfen mit Freuden Wasser, aus der Quelle, die in uns der sich offenbarende Gott ist.

Der Brunnen des Heils ist dieses zeitlose Gestaltwerden Gottes in diesem Augenblick. Es gibt keinen Weltuntergang, es gibt nur das Sich-selbst-Gebären Gottes im Kommen und Gehen: das große Spiel Gott. Und wir sind die Spielfiguren.

Er spielt sich selbst als diese Struktur, die wir in diesem Augenblick sind. Auch das Untergehen ist der Herzschlag Gottes, nicht nur das Auferstehen. Das Vergehen ist so bedeutsam wie das Wiederkommen. In jeder Gestalt ist Gott ganz, so wie er Gestalt in Jesus war. Und so ist er Gestalt in Brot und Wein, in den Blumen und in den Menschen.

In diesem endlosen Spiel…

3. … macht er dich größer als du bist

Danket dem HERRN, ruft seinen Namen an! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie hoch sein Name ist!  Lobsinget, denn er hat sich herrlich bewiesen. Jauchze und rühme, denn der Heilige ist groß bei dir!

Wo Gott spielt, und ich diesem Spiel Raum gebe, wächst die eine Erkenntnis: Mein Leben gehört mir gar nicht. Es ist der Schauplatz eines kosmischen Ereignisses. Durch mich jubelt die ganze Schöpfung.

Gott wird nicht nur auf Bergen und in Kathedralen angebetet, er wird im Geist und in der Wahrheit angebetet. Ihn als mein Leben zu erfahren, das nenne ich, „Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Unser Leben ist der Platz, auf dem Gott sich selbst spielt.

Uns als Spielfiguren in diesem grandiosen Spiel Gott zu erfahren ist unsere Berufung. So wie wir uns auf unsere reine Menschlichkeit reduzieren und uns in unserer Schlechtigkeit verhaken, sabotieren wir das Spiel von Herrlichkeit, das sich an uns ereignen will.

Wo wir am Zorn Gottes an Anklagen festhalten, reißen wir das Spiel an uns, bewegen uns in der Vergangenheit, die nicht die Zeit Gottes im hier und jetzt ist.

Dieses Spiel Gott will einen Jubel in dir entzünden, der größer ist als du selbst bist. Wir sind eingeladen zu einer unfassbaren Dankbarkeit, weil du der heilige Raum bist, mit dem Gott über diese Erde geht. In deiner ganzen menschlichen Unzulänglichkeit, will sich in Wahrheit ein unsichtbarer Gott in seiner Vollkommenheit zeigen. Sei die beste Spielfigur in diesem grandiosen Spiel Gott und lasse Größeres an dir zu als du selbst bist.

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