Br. Theophilos – Luk. 17, 20-21
Wie viele von uns glauben, dass wir in der Endzeit leben und der Untergang dieses Zeitalters kurz bevorsteht? In wie vielen von uns lebt die Vorstellung, dass noch zu unserer Lebzeit die paradiesischen Zustände, des verheißenen ewigen Reiches anbrechen?
Schon für 1874 hatten Glaubensgemeinschaften, die Wiederkunft Christi vorausgesagt. Es folgten Zahlen von 1918, 1925 und 1975. Wir kennen noch die Termine um die Jahrtausendwende und vor allem das Jahr 2012, dem große Medien angsteinflößenden Charakter gaben. Doch da kam nichts.
Wie gehen wir dann mit der immer wiederkehrenden Frage um, die bereits die geistlichen Herren zur Zeit Jesu beschäftigte?
1. Worauf warten wir?
Wann kommt das Reich Gottes? Er sprach zu ihnen: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen;
Viele sagen: Die Vorfreude ist die schönste Freude. Das heißt: Ich lebe in einer freudigen Erwartung auf einen großen Urlaub in traumhafter Umgebung zu. Damit stimme ich mein inneres System auf ein zukünftiges Ereignis ein, das mich bereits jetzt aufbaut. Das ist ein funktionierender und antreibender Effekt, wenn wir uns Ziele setzen. Es fokussiert uns auf eine Sache, die eine anziehende Sogwirkung entwickelt. Medizinisch werden da nachweisbare neue positive Vernetzungen in unserem Gehirn festgestellt.
Doch was menschlich eine wirkungsvolle Methode im zielstrebigen Vorankommen auf einem Weg ist, sieht bei der Frage nach dem Reich Gottes ganz anders aus.
Zu fragen, wann kommt das Reich Gottes?, offenbart im Ansatz einen Denkfehler. Hier versucht jemand, Unfassbares, zu erfassen. Es zeigt das grundlegende Missverständnis, mit dem der rationale Mensch diesem Reich begegnet.
Weil es für ihn offensichtlich nicht fassbar ist, wartet er darauf, dass es kommt. Er kann es nicht verstehen und geht dabei davon aus, es ist noch nicht da. Es ist für Menschen unsichtbar und verborgen. Also muss es einen Zeitpunkt geben, an dem es sichtbar wird. Wenn es noch nicht da ist, dann muss es kommen.
Diesem völlig natürlichen Denken, hilft Jesus auf die Spur.
2. Suche nicht draußen
man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da!
Wo wir mit unserer Sinneswahrnehmung unsere Umgebung erfassen, sehen, hören, riechen wir, was um uns herum geschieht. Wir schmecken wie die Nudeln mit Soße unsere Zunge kitzelt. Wir freuen uns an dem, was unsere Sinne erfassen. Doch die Grundlage der Welt ist nicht Materie, sondern ein in sich zusammenhängender Urgrund. Wir können mit unserem Verstand nur in Bildern und Gleichnissen eine Deutung dieses Urgrundes suchen.
In das Geheimnis von Reich Gottes können wir so nicht eindringen. Wenn Jesus unsere Wahrnehmung von unserem Drumherum abzieht, offenbart er eine ganz andere Kontaktebene mit Gott.
Nicht hier und nicht da, löst Reich Gottes von aller räumlichen Vorstellung. Es lässt sich nicht auf ein Gebäude, eine menschliche Gemeinschaft oder gigantische Ausformungen der Schöpfung reduzieren.
Reich Gottes ist alles, was ist. Reich Gottes ist alles, was wir mit unseren Sinnen als Mensch wahrnehmen und alles, was diese Sinne nie erfassen können, unendlich und ewig ist. Es ist Materie, Geist und Wahrheit. Es ist Ausdruck von allem, was ist, in dem sich Gott widerspiegelt. Es ist die Quelle, aus der alles Leben seinen Lebensgeist erhält. Es ist die unendliche Weisheit, in die alles Sein eingehüllt ist. Es ist der Raum in dem jede Welle, der eine große Ozean ist. Hier ist Gott alles im allem, alles geht aus ihm hervor und alles ist Gott.
In diesem Raum lösen sich alle Vorstellungen eines getrennt seins von Gott auf. Reich Gottes ist der Raum, in dem ein Mensch erkennt, Gott und Mensch sind ein und dasselbe.
Daher geht Jesus den kühnsten Schritt und sagt:
3. Du bist es selbst
Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Mit dieser Aussage wird unser menschlicher Verstand völlig in den Wahnsinn getrieben. Dieses Reich kommt nicht, es war immer und ist zu allen Zeiten da und wird immer sein. Und zwar nicht außerhalb von euch, sondern mitten unter euch, oder wie Luther es ursprünglich übersetzte: inwendig in euch.
Alles, was in unserem Leben geschieht, ist Reich Gottes. Das, was in uns lebt, ist Reich Gottes. Ich bin Ausdruck von Reich Gottes. Das Leben, das ich lebe, ist das Gestaltwerden dessen, was Gott ist.
Damit sagt Jesus, in dir lebt dasselbe, was in mir lebt. Du bist der Christus für den Flüchtling, der eine Wohnung braucht. Du bist der Tröster, für den, der mit seinem Schicksal hadert. Du hast die Vollmacht, Menschen von ihren Zweifeln und Schuldgefühlen zu befreien. Empfange, was du bist: Leib Christi. Höre auf zu suchen, höre auf zu warten, denn dein Verstand ist dein größter Gegner.
„Die übliche Zweiteilung in Subjekt und Objekt, Innen und Außenwelt, Körper und Seele ist nicht mehr angemessen“, sagt Werner Heisenberg.
„Das Universum hängt im umfassenden Sinne innerlich zusammen; alle Teile sind aufeinander bezogen und untrennbar verbunden“. Max Planck
Wir dürfen mit unserem eigenen Wesen in Kontakt kommen, das zeitlos ist. Das Reich Gottes ist mitten unter euch, ist die Einladung, bei dem anzukommen, was in dir leben will. Es ist das Hineinlauschen in dein tiefstes Herzensanliegen, das den Weg dieses Reiches kennt.
Es ist die Auseinandersetzung mit deinem Verstand, der dieser inneren Regung immer schlagkräftige Argumente entgegensetzt.
Es ist alles da. Es ist alles in dir. Das EINE ist deine wahre Natur – und die Natur aller Wesen. Es ist zeitlos und entfaltet sich in der Zeit. Es entsteht nicht bei meiner Geburt und vergeht nicht durch meinen Tod. Dieses EINE ist der Urgrund aller Dinge.
Warte nicht und vertröste dich nicht mit später, sondern lausche nach innen, und gebe, was du der Welt zu geben hast, – Reich Gottes.
Charisma–Begleitung – Bruder Theophilos