Ins Glück geschaut

Hohesl. 2, 8-13

Wie passen eine elegante Gazelle und ein junger Hirsch mit einer Panzersperre zusammen? Was ist, wenn Leichtigkeit oder Härte des Lebens nur eine Frage meiner Perspektive sind? Charles Dickens hat gesagt: Du bist entweder in der besten Zeit der Weltgeschichte geboren oder in der schlechtesten Zeit, – du entscheidest.

 Wie schauen wir auf das, was uns gerade ordentlich zu schaffen macht?

1. Mit dem Gesicht zur Wand

Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter unsrer Wand und sieht durchs Fenster und blickt durchs Gitter.

Ja, für viele von uns ist die Welt mit Brettern vernagelt. Wir sind gefangen in astronomischen Gaspreisen. Stromrechnungen legen uns an die Kette. In vielen Beziehungen stehen wir vor unüberwindlichen Mauern. Unser Gehirn spinnt unausweichliche Horror-Bilder zusammen, wie unsere Zukunft aussehen wird. Schließlich braucht nur ein Wahnsinniger in Moskau den roten Knopf zu drücken, um Europa nuklear in Schutt und Asche zu legen.

Auch Glaubensmenschen spüren Unbehagen, wenn Kirchenbänke nur noch zum Abstauben da sind.  Das Blühen und duften von einst, sehen wir nur noch durch die Gitter unserer Erinnerung. Die Fenster unserer Sehnsucht, sind von Nebelschleiern matt geworden.

Wir spüren noch das Feuer, das uns damals heißgemacht hat, aber durch harte Fröste nur zart dahinglimmt. Graue Wände lähmen unseren Blick, wenn da nicht der Freund wäre, der hinter allen Wänden steht und durchs Gitter blickt.

Auf die verstaubte Kirchenbank fällt aus dem farbigen Chorfenster das Christus-Licht. Hier sind wir mit dem ganzen Charme des Lebens eingeladen Licht, statt Staub zu sehen.

2. Lass dich mit Charme umgarnen

Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er kommt und hüpft über die Berge und springt über die Hügel. Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her!

Gott ist ein Charmeur. Christus ein beschwingter Liebhaber. Der Bräutigam, der um unsere Hand anhält. Das Leben tanzt um uns mit Wohlwollen und Komplimenten. Unser Leben ist ein Liebesspiel mit dem Allmächtigen. Er will uns in allem Mist den Kopf verdrehen.

Wie ein wildgewordenes Rumpelstilzchen hüpft und springt das Leben uns über alle Hindernisse in die Arme.

Welch kraftvolle Bilder, wie Gott unseren Horizont über unseren Maschendrahtzaun hinausdehnen will. Mit aller Liebesmüh umspielt er uns, nicht an Mauern und Wänden stehen zu bleiben. Die Liebe will uns weit machen, viel mehr zu sehen als die Gitter, in die wir uns verfangen haben. Hinter jeder Wand, vor der wir stehen, lauert eine Charmeoffensive der Liebe.

Nicht erst, wenn geflüchtete Menschen aus der Ukraine in unseren Häusern wohnen, erleben wir, dass Krieg nicht in einem Land beginnt, sondern zuerst an unseren Zäunen. Die göttliche Liebe nimmt alle Ereignisse, die uns widerfahren ganz persönlich. Es ist einfach, einen Diktator zu verdammen und sich selbst dabei gut zu fühlen.

Doch wenn sich jeder von diesem Elend so berühren lassen würde, dass er fragt: was hat dieser Krieg mit mir zu tun, könnte die Frage aufstehen: Wo überschreite ich respektlos die Grenzen des anderen? Welche Ansprüche erhebe ich an andere und welche Urteile fälle ich über sie?

Ist mein begrenztes Denken wirklich der Maßstab, mit dem ich die Welt ermessen kann?

Wenn Jesus sagt: Mein Reich ist nicht von dieser Welt, lädt die Liebe ein, über mein menschliches Fassungsvermögen hinauszudenken. An jeder Grenze, an der wir stehen, an den vielen Punkten, an denen uns der Durchblick fehlt, will uns Charme einhüllen, der ruft:

Steh auf und komm! Bleibe nicht vor deiner Wand stehen, sondern komm in dieses Reich der Liebe, das in dir ist. Komm und sieh, wie du schon immer meine große Liebe warst, du Schönheit der Schöpfung.

Steh auf meine Braut und sieh, wie alles was dir gerade geschieht, dazu dient, dich über deine Gitter zu erheben.

3. Rieche, wie das duftet

Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin. Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande. Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften. Steh auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her!

Wer gegen alle widrigen Umstände aufsteht und kommt, für den ist die Welt radikal anders. Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden! So empfindet es Paulus, als er in der Christus-Gesinnung aufgestanden ist. Die Eiseskälte ist vorbei. Die Gitter und Wände sind noch genauso da, doch du gehst heute anders um als gestern.

Was die Welt zum Duften und Blühen bringt, ist die Neuschöpfung, die in dir geschieht. Das Alte ist nicht weg, weil da irgendein Straßenkehrer kommt, der es wegputzt, sondern weil in dir ein neuer Geist lebendig wurde.

Die Veränderung geschieht nicht durch Aufstehen für eine Protestbewegung, sondern wo ich die Veränderung bin. Wo ein Land Blumen hervorbringt und Turteltauben zu hören sind, lebe ich als Gottes Liebhaber, der allem Leben mit größter Wertschätzung begegnet.

Wo ich um mein Recht kämpfe und anderen meine Grenzen aufzwänge, legt sich eine neue Eiszeit auf das Land. Wo ich nicht sehe, dass mir alles dazu dient, meinen Horizont liebevoll zu erweitern, wird sich ein großes Verwelken auf das Miteinander legen.

Fruchtbar wird diese Erde, wo wir eine himmlische Transformation sind. Was sich an uns verwandelt, verwandelt sich in der ganzen Welt. Die Veränderung, die wir uns wünschen kommt dort, wo wir ins Glück schauen.

Denn glückselig sind Menschen, die Hunger und Durst haben nach dem Reich Gottes, denn sie bringen einen neuen Geist und Fruchtbarkeit auf die Erde.

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