- 26.02.2023 – Br. Markus – Hiob 2, 1-13
Auf der B 28 hat es gekracht – Donnerstag abend vor drei Tagen, bei Metzingen. Der 18-jährige Beifahrer verunglückte tödlich, der 20-jährige Fahrer wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Schocknachricht hinterläßt uns sprach- und fassungslos – heftiger Aufprall, große Bestürzung, tiefe Erschütterung. Man muß nicht weit gehen, um im Schatten zu stehen, im Schatten des Bösen, das allgegenwärtig das Leben begleitet wie das Licht. Immer dann, wenn es so ist, daß es sich keiner erklären kann, reden wir von einer Hiobsbotschaft. Nicht umsonst wird sie so genannt, weil keiner das Licht mehr sehen kann, wenn er im Schatten steht.
1. Existiert Böses
„Satan“ heißt die gegen Gott gerichtete Kraft. Es ist nur der Versuch, einen Namen zu finden für das namenlose Böse, das passiert. „Satan“ ist der Name für den Schatten, der sich auf unsere Seele legt wie der Nachtfrost auf den Frühling, der aufkeimen will. „Satan“ ist der Name für die tiefe Depression, die uns hindert, das Gute, das wir tun wollen, auch zu tun. „Satan“ ist der Begriff für alles, was danebengeht und widerspricht – gegen andere, gegen Gott, gegen das Leben.
Man kann es sich einfach machen und behaupten, daß es das Böse gar nicht gibt, sondern nur den Irrtum, eine Sache als böse zu bezeichnen. Nietzsche hat schon das Böse zu einem Konstrukt christlicher Sklavenmoral erklärt. Das löst aber weder das Problem, noch hilft es den Opfern.
Im Schatten des Bösen leben wir alle. Wir alle gewinnen nichts durch Selbstbetrug. Das fünftgrößte Buch der Bibel versucht, das Problem auf seriöse Weise zu lösen. Indem man dem Bösen einen Namen gibt, gelingt es besser, mit ihm umzugehen als mit dem namenlosen Elend, das uns umgibt. Es geht bei Hiob nicht darum, das Leid zu erklären. Es geht darum, den Hintergrund zu sehen, der helfen kann, im namenlosen Leid zu bestehen – auch dann, wann man sich das Leid nicht erklären kann.
Satan tritt in die Versammlung der Söhne Gottes. Das hat was von großem Theater, ohne Theater zu sein. Es ist vielmehr der Versuch, eine Vorstellung vom Kampf unsichtbarer Mächte zu gewinnen. Satan hat hier im Bild Zugang zu Gott, zur Versammlung um Gott, also Zugang zum Gremium entscheidungtragender Kräfte. Manche kritischen Theologen sehen hier Ähnlichkeiten zum Zarathustrakult. Entscheidend dabei ist das unterschiedliche Kräfteverhältnis. Der Satan muß um Erlaubnis fragen. Das heißt: Das Böse kann nicht geschehen, wenn Gott es nicht geschehen läßt. Gott könnte es verbieten, all das Elend, das geschieht. Und das
2. Versucht zu verwirren
Wer schon mal krank war, weiß ja, wie das ist, wenn man vor Schmerzen nicht mehr schlafen kann und dabei nicht weiß, ob`s nochmal gut wird mit der Gesundheit und überhaupt.
Und da soll hoch über den Wolken ein Gott stehen, der mit dem Teufel Würfel spielt über mein Schicksal und mich? Wenn das mal keine Geschmacklosigkeit ist.
Zu allererst raubt der Satan Hiob sein Vermögen, und jetzt auch noch die Gesundheit. Der heutige Text ist bereits Level 2 der Versuchung.
Wir erinnern uns: Hiob ist ein Bill Gates seiner Zeit, schwer reich, Tausende Schafe, Kamele und Eselinnen, die als wesentlich wertvoller gelten als Esel. Sieben Söhne und drei Töchter, beste Familienverhältnisse, beste Finanzverhältnisse, beste Glaubensverhältnisse – ein glücklicher, reicher, gesunder und gerechter Mann wird von einer unerklärlichen Pech-sträne verfolgt. Nichts, aber auch gar nichts will mehr glücken von allem, was vorher so „easy“ war. Da bleibt nichts, aber auch gar nichts mehr übrig von einem Gott als Wächter unseres Wohlergehens.
Das muß total verwirren. Gott läßt es zu, das Spiel des Bösen mit der Gesundheit des Hiob. Geschwüre vom Kopf bis zu den Füßen – ich kenne Menschen, denen bereitet schon ein einziges, klitzekleines Geschwür fatale Probleme. Was muß Gott denn für ein Monster sein, daß er mit sowas pokert? Es ist schon schwierig, in dieser Geschichte noch den Gott zu sehen, der von sich sagt, daß er den Menschen und das Leben liebt. Er läßt es ja geschehen. Ein kleines „nein“ hätte genügt, den Satan zum Stillstand zu bringen. Es ist Teil unseres Gottesbildes, daß Gott der Stärkere ist, der, der absolut gebieten kann. Gott hätte Hiob und alles, was ihm geschehen ist, verhindern können, tut es aber nicht.
Gott will wesentlich mehr von uns. Es geht in den Ereignissen um Hiob um viel mehr. Es geht um den Abschied von einem falschen Gottesbild, genau genommen um das, was den Glauben wirklich zum Glauben macht. Wo Gott noch als Servicepartner für meine Befindlichkeiten benutzt wird, ist genau genommen Glaube nicht wirklich Glaube.
Der Theologe Jetter sagt: „Es geht um einen Glauben, der im Dunkel nach der Hand dessen tastet, der sein Angesicht in undurchdringlicher Finsternis vor ihm verbirgt. …. und daß es nicht leicht ist, dort auszuhalten, wo uns das wohlvertraute Dasein plötzlich fremd wird und alles im Mörser der Anfechtung zerstampft wird.“
Die Geschichte von Hiob ist die Geschichte von einem Mann, der scheinbar umsonst gelebt, umsonst gebetet, umsonst geopfert und Gott gefürchtet hat. So scheint es. Es ist zum Irrewerden an Gott, der das Schiff des Glaubens derart in Sturm geraten läßt, daß man befürchten muß, auf der Titanic geboren zu sein.
Es geht um Gottes und mein Vertrauen, das der Satan versucht
3. Aufzulösen
Noch läßt Hiob sich nicht beirren.
„Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“
„Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe“ spricht Christus am Kreuz.
„Mir geschehe, wie Du gesagt hast“ sagt Maria.
Es geht nicht um ein bloßes „Über sich ergehen lassen“. Es geht um gelebtes Vertrauen, das sich eben nicht auflösen läßt, gerade nicht, dem Bösen zum Trotz.
Hiob läßt den Auflösungsprozeß nicht zu, den der Satan oder der „Hinderer“, wie ihn Buber nennt, anstrebt. Hiob läßt sich nicht hindern. Er findet noch das Ja zu Gott, auch und inmitten der Krankheit, die auf ihm liegt. Hiob findet das Ja trotz der bösen Umstände, trotz den erdrückenden Katastrophen, die über ihn hereinbrechen. Er findet noch ein Ja, wo anderen längst die Worte fehlen.
Es bleibt aber nicht dabei.
Im späteren Verlauf des Hiobsbuches kommt selbst er an einen Punkt, wo er es nicht mehr schafft, inmitten dieser Krisen zu bestehen, an dem der Glaube das nicht mehr zu leisten vermag aus eigener Kraft.
Wenn der Verstand nichts mehr erkennen kann und keine Hilfe in Sicht ist, wenn alles im schwarzen Schatten zu stehen scheint, ist es Christus allein, der den Glauben möglich macht – darin, daß er vollbracht hat, was kein anderer vollbringen kann – nicht um sich selber was Gutes zu tun, sondern um für uns den Glauben erst möglich zu machen, den Glauben, der das Gütesiegel Gottes tragen kann: krisenfest.
Der Hinderer durchstreift die Erde. Er ergeht sich auf ihr, er sucht, alles aufzulösen, was von Gott geschieht. Allein in der Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus gelingt es, festzuhalten, allein in seiner Nähe, zu bestehen, wenn alle und alles dagegenspricht.
Allein in Christus gelingt es, Licht zu sehen dort, wo wir im Schatten stehen – selbst dann, wenn es der Schatten Gottes ist. Amen.