Predigt 19.03.2023 -Br. Markus- Jesaja 54, 7-10 (Vers 10)
„Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“ spricht der Herr, dein Erbarmer.
Ein Brief zwischen Zeitung und Werbung im Kasten erschüttert dein Fundament.
Anna und Hans, die so gut zusammenpaßten,
haben sich einfach getrennt.
Wie hast Du sie beneidet, zwei, die sich so lieben,
und plötzlich ist alles aus.
Manchmal wünscht ich,
es wär nochmal viertel vor sieben,
und ich wünschte, ich käme nach Haus.
Reinhard Mey
Es ist das ganz normale Leben, in dem Beziehungen brechen, Freundschaften enden, Versprechen nicht eingehalten werden. Es fühlt sich nicht gut an, stehen gelassen zu werden. Das Fell wird dünner, der Becher leerer. Gut, daß es da einen Gegenpol gibt, einen, der nicht weicht, wenn Marmor, Stein und Eisen bricht, einer, der den Trend wenden kann.
1. Obwohl er zornig ist
Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen.
Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Die Verse 7 und 8 gehören mit zum Predigttext und sind dem Vers 10 vorausgegangen. Man könnte sie einfach weglassen, so würde der gesamte Text noch viel positiver klingen. Ein zorniger Gott paßt ohnehin nicht mehr ins Bild, stammt angeblich aus der Vorstellungswelt unterbelichteter Beduinen, die im Ozean der Möglichkeiten nicht die richtige Erkenntnis gefunden haben.
Gottes Zorn, kranke Einbildung der Bibelverfasser oder real? Ein zorniger Gott – wie sieht der, bitteschön, aus? Ist er eher diese Vogelscheuche: „Paß auf, kleine Hand, was du tust“ – oder der alles umarmender Kuschelbär? Können wir einen Gott glauben, der für das Gute steht, aber eine schlechte Charaktereigenschaft zu haben scheint: Wut im Bauch? Glauben wir Gottes Wut? Es gehört zur Ernsthaftigkeit des Glaubens, sich mit dem Zorn Gottes auseinanderzusetzen, andernfalls würden seine Treueversprechen zu frommen Phrasen verkümmern.
Der Theologe Voigt sagt: „Gott bekennt sich dazu, daß er sein Volk tatsächlich verlassen und sein Angesicht vor ihm verborgen, also die Gemeinschaft mit ihm aufgegeben hat.“
So ein Augenblick des Zorns kann sich ganz schnell anfühlen wie 40 Jahre DDR oder ein komplett verpfuschtes Leben. Wenn Gott nicht mehr zu erreichen ist, wenn er nicht einverstanden ist, entsteht Trennungsschmerz. Es wäre aber völlig falsch, immer dann Gottes Zorn zu vermuten, wenn uns nicht danach ist. Das zeigt ja das Buch Hiob und auch die Passionsgeschichte. Es gibt eben keine direkte Verbindung von Gottes Laune zu meinem persönlichen Wellnessfaktor. So einfach tickt Gott nicht.
Sein Zorn ist anders als unser Zorn. Ich würde es eher „tiefe Enttäuschung“ nennen über alles, was danebengeht, bei uns und überhaupt auf dem Planet. Gott verurteilt klar und eindeutig Mord, Lüge, Diebstahl etc.
Mich ärgert es ja auch, wenn der Koch Salatöl statt Kirschwasser an die Schwarzwälder Torte kippt. Sowas wird eben nicht wieder gut, da kann man noch so gründlich kauen.
Gott mag es nicht, all das Morden, Kriegen und Stehlen. Er hat eine ganz andere Vision, die er verfolgt, die
2. Oft abgelehnt
wird.
Der Theologe Voigt sagt: „Das Neue Testament predigt nicht einen Christus, der in der Luft liegt, sondern den Christus, der in seinem Wort und in seinen Sakramenten Verbindung mit uns aufnimmt.“
Wo Gottes Urteil über das Böse abgelehnt wird, ist kein Spielraum und keine Notwendigkeit zur Erlösung, somit auch keine von Gott gewirkte Gerechtigkeit, um die es geht. Die zentrale Botschaft der Bibel zielt aber auf diese Gerechtigkeit in einem neuen Kleid. Es geht eben und immer um diese Wende, buchstabiert wie „Umkehr zu Gott, Umkehr in die Gemeinschaft, Abkehr von meiner Eigenbrötelei, meiner Selbstvergottung.“
Gottes ewiges Treueversprechen kann nur Menschen erreichen, die sich ihm zuwenden. Unsere Willenswende ist unser größtes Recht, weil er uns die Freiheit gibt, wirklich zu wählen: Zustimmung oder Ablehnung. Es geht aber nicht beides gleichzeitig. Will ich – oder will ich nicht?
„Eure Rede sei Jaja oder Neinnein.“
„Das Evangelium ist kein Vielleicht-Evangelium“ sagt Voigt. „Würde Gott das Böse nicht hassen und strafen, wäre die Welt ihrer Selbstvernichtung preisgegeben.“ Es wird eben nicht alles wieder gut, und erst recht nicht von alleine. Es braucht unsere konkrete und klare Entscheidung zur Wende, zur Wende zum Guten, zur Wende zu Gott.
Die Dinge bleiben nicht einfach, und die Wege gehen nicht immer nur geradeaus. Es braucht Rückkehr, Besinnung und Neustart, damit echtes Leben gelingen kann.
Deshalb
3. Bindet er sich
„Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Wenn das Calver-Bühle umkippt und der Deckelesfelsen in die Knie geht, gibt es eine Sache, die steht, die stehen bleibt, die ewig steht, unendlich, also wesentlich länger als dieser kleine Augenblick, länger als die Zeit, die wir messen und begreifen können, die schwarze Löcher füllt oder auch nicht, die Zeit, die uns bleibt, die so schnell vergeht wie die Dämmerung – auf einmal ganz schnell.
„Meine Gnade“ ist das, was stehen bleibt.
Gott klebt sie fest an uns, fester als ein Klimakleber auf der Straße kleben bleibt. Seine Gnade ist das, was an uns kleben bleibt, was sich nicht abwaschen läßt, loslösen oder auftrennen. Die Gnade bleibt. Es ist Gottes coming-out, die Veröffentlichung, wie er wirklich tickt, ganz tief in sich, wo ihn keiner ergründen kann.
Die Gnade ist sein Lebensprinzip, nicht die Rache an uns, die wir diesen schönen Planet niedergelebt haben. Gottes Rache heißt „Christus“ und geht diesen schlimmen Karfreitagsweg, um einer von uns zu sein und zu bleiben, an unserer Seite, tief in mir.
Gott bleibt in uns in seinem Sohn. Er bleibt in uns, um so zu sein, wie man sein muß, um stehen zu bleiben, wenn Berge und Hügel weichen. Die Gnade bleibt, genau in diesem Augenblick, wenn Marmor, Stein und Eisen bricht.
„Der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“ spricht der Herr, dein Erbarmer.
Das muß man ganz einfach nur glauben. Amen.