16.07.2023 -Br. Markus- Jesaja 43, 1-3a
1 Aber jetzt sagt der Herr, der euch geschaffen hat, ihr Nachkommen Jakobs, der euch zu seinem Volk gemacht hat: „Hab keine Angst, Israel, denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir. 2 Wenn du durch tiefes Wasser oder reißende Ströme gehen musst – ich bin bei dir, du wirst nicht ertrinken. Und wenn du ins Feuer gerätst, bleibst du unversehrt. Keine Flamme wird dich verbrennen. 3 Denn ich, der Herr, bin dein Gott, der heilige Gott Israels. Ich bin dein Retter.
„Manchmal fühl ich mich hier falsch.“ singt die Künstlerin Nanika „wie ein Segelschiff im All.“
Für alle, die sich falsch, hier falsch, im falschen Film oder sonst wie unrichtig fühlen, steht der heutige Predigttext. Nicht nur heute fühlen sich Menschen falsch, der Alltag zu grau und die Hitze zu heiß an. Schon vor Tausenden Jahren in Israel fühlt sich das Leben so an, als müßte man einpacken und rausgehen.
„Fürchte dich nicht.“
Gott zeigt uns
1. Unser wahres Wesen
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.
Als moderner Mensch hat man schon damit ein Problem. Wir sind auf uns selbst fixiert, glauben, alles alleine machen zu müssen und fühlen uns dann allein gelassen. Wenn ich selber glaube, das Maß der Dinge zu sein, muß ich mich nicht wundern, wenn die Einsamkeit nach mir greift.
„Du bist mein“ übersetzt Luther. Wir sind von Gott geschaffen, gemacht und erlöst – von Gott, also nicht vom Zufall, der uns auf diesen Planeten gespült hat, damit wir von Mißerfolg zu Mißerfolg eilen, sondern von Gott – geliebt, gewollt und erdacht. Unser wahres Wesen steht nicht in Konkurrenz zu Gott, sondern kommt aus ihm heraus zu ihm hin.
„Er ist mein Vater“ sagt Caretto – ich bin der Sohn.
Ich bin von Gott geliebt, weil ich sein Sohn bin, weil er befangen ist für mich. Das gilt in jeder Lebenslage – gerade da, wo ich mich nicht liebenswert, schon wieder ausgerutscht und total versagt fühle. Ich bin Gottes Lieblingsmensch. Er will mir gar nicht böse sein, nicht länger als gefühlte fünf Minuten. Gott liebt mich – gerade wenn ich mich falsch fühle, wie ein Segelschiff im All. Weil er mich geschaffen hat, bin ich für ihn wichtig. Wo es mir schon egal geworden ist, fängt Gott erst an.
Mein wahres Wesen ist, Sohn zu sein, Tochter von Gott, geschaffen um wie er einer zu sein, der die Erde zum Blühen bringt, nicht zum Verwelken. Wir sind sein – ganz gleich, ob wir ihn glauben oder nicht.
Unser Lebensatem kommt von ihm und geht zu ihm zurück. Wir können das nicht ändern. Wir können ihn blockieren oder
2. Wirken lassen
2 Wenn du durch tiefes Wasser oder reißende Ströme gehen musst – ich bin bei dir, du wirst nicht ertrinken. Und wenn du ins Feuer gerätst, bleibst du unversehrt. Keine Flamme wird dich verbrennen.
Gott ist nicht so, wie wir ihn gerne hätten. Er taugt nicht als Betreiber des Wellness-Hotels, das man Leben nennt.
Es ist leider so, daß Feuer und Wasser Teil des Lebens sind und immer sein werden. Die Bibel führt uns nicht an der Nase herum. Gott taugt nicht als Werbetexter, der Dinge verspricht, die sich nicht halten lassen. Ein Glaube, der das eigene Wohlfühlen zum Ziel hätte, wäre sowieso alles andere als christlich.
Ich persönlich fühl mich gerne gut. Das Leben ist aber streckenweise anders. Feuer und Wasser durchqueren unseren Weg. Genau das macht ja den Unterschied, sonst könnte man sagen: Hast Du ordentlich und fromm gelebt, geht es dir gut, hast Du zu wenig gebetet, wirst Du krank und dein Haus brennt ab. So spießig ist Gott nicht, so einfach läßt es sich nicht erklären. Obwohl wir Gottes Lieblinge sind, kann es passieren, daß wir verunfallen, absaufen oder reinstolpern.
Es gibt unzählige und ganz kleine Geschichten von Menschen, die an Gottes Seite in Atemnot geraten, in Verzweiflung, in Dunkelheit und Angst.
Wollten wir ein Dasein ohne diese ganz normalen Schwierigkeiten, müßten wir uns bei billigeren Philosophen oder Heilsversprechern umschauen. Gott ist keine Droge, die man nehmen kann, um im Feuer oder Wasser zu bestehen. Gott fühlt sich manchmal gar nicht göttlich an.
Das hilft uns, Jesaja zu verstehen.
Der alte irische Segenswunsch mit immer leichtem Wind im offenen Haar ist ein irischer Segenswunsch – wie ja der Name schon sagt, aber leider nicht die Realität. Gottes Stärke entfaltet sich nicht darin, daß er uns Übel erspart, sondern darin, daß er nicht von unserer Seite weicht. Er läßt uns nicht ohne Probleme, bleibt aber in den Problemen unser Partner, trotz Problemen unser Partner. Er seilt sich nicht ab, wenn der Hagel einschlägt und die Hütte in Trümmern liegt. Wenn das Konto leer und der Partner weg ist, steht einer immer noch bereit. Das ist der entscheidende Unterschied.
Wenn alle Seifenblasen geplatzt und alle Luftballons wieder am Boden sind, zurück von ihrem Höhenflug, dann ist sich einer noch gut genug, an unserer Seite auszuharren. Gott bleibt an meiner Seite, auch wenn ich vor ihm wegrenne. Er überläßt mich nicht mir selber. So grausam ist er nicht.
3. Gott läßt uns nicht allein
Hab keine Angst, Israel, denn ich habe dich erlöst!
Das ist der entscheidende Satz, der für mich die größte Bedeutung hat.
„Hab keine Angst“ – das ist das Evangelium für diesen Sonntag, wenn nicht für`s ganze Leben.
„Hab keine Angst“ Jesaja predigt diese Botschaft, als die Schlacht schon verloren ist. In Israel gibt es zu dieser Zeit gar kein Volk Israel mehr, aufgelöst, verschleppt, zerschlagen – keine Hoffnung auf Zukunft mehr. Da klingt es schon wie blanker Hohn, angesichts der herrschenden Zustände.
Der Theologe Jetter sagt: „Es gilt immer, das Lied der Hoffnung dem herrschenden Unheil ins Gesicht zu singen.“
„Hab keine Angst“ – das ist der christliche Masterplan. Der fängt unauffällig, ganz im Kleinen, an. Da muß es gar nicht die ganz große Kathedrale sein oder die breite Hauptstraße, die meinen Namen trägt.
„Hab keine Angst“ heißt zu allererst, klein anzufangen.
Das Rad wurde schon vor Tausenden Jahren erfunden, das muß ich morgen nicht erledigen. Die Relativitätstheorie gibt es auch schon, da muß ich morgen auch nichts mehr machen.
„Hab keine Angst“ – auch nicht davor, beim Geschirrspülen zu helfen oder beim Zusammenfegen.
Da beginnt die große spirituelle Dimension, ihre wahre Kraft zu entfalten.
Hab keine Angst davor, ein Bettler zu sein, einer, dessen Bewußtsein von Zweifeln und Ängsten angefressen ist.
Hab keine Angst, mit leeren Händen dazustehen, weil der Mensch sowieso überhaupt nix festhalten kann.
Hab keine Angst, der Allerletzte zu sein, der das Licht ausknipst, wenn all die anderen schon in den Westen abgehauen sind.
Wir sind auch dann nicht allein, wenn wir allein in dem Treppenhaus stehen bleiben, aus dem die anderen über die Leiter des Erfolgs schon ausgestiegen sind.
Hab keine Angst, der schräge Vogel zu sein, der einsam und allein in die falsche Richtung fliegt.
Nicht ich habe mich erlöst, sondern Er erlöst mich. Wir sind Gottes Lieblingsmenschen, geschaffen zu dieser Gemeinschaft mit ihm. In ihm haben wir Gesamtschutz, den kompletten Schutz unserer Person, für uns und all die anderen um uns herum. Sein Ruf löst uns aus der Vereinzelung und führt uns in die Beziehung, die den Tod überlebt.
In Christus allein stehen wir in diesem neuen Lebenszusammenhang. In Christus allein sind wir der Mensch, den Gott in uns sieht. Weil wir Gottes Lieblingsmenschen sind, sind wir in Christus alle vereint.
„In ihm kann ich ich sein, verträumt und verrückt sein, beides zugleich.“
Gönnen wir Gott ein Riesenkompliment dafür, daß er uns viel besser kennt. Amen.