Sonntag, den 13.08.2023 -Br. Markus- 5. Mose 4, 5-10
Jeden Morgen geht die Sonne auf – – – ist jetzt nicht unbedingt ungewöhnlich, hat aber was. Wenn die Sonne heute morgen keine Lust gehabt hätte, aufzugehen oder mal eben zwanzig Minuten später zu kommen, würden wir jetzt noch im Dunkeln sitzen. Würde die Sonne mal eben für vierzehn Tage verreisen in eine andere Ecke des Alls, würden bei uns sämtliche Lichter ausgehen. Da stellt sich die Frage gar nicht, ob Ordnungen sinnvoll sind oder nicht. Die Sonne tut ihre ganz normale deutsche Pflicht, geht morgens in München auf und ist dabei auch noch in Frankfurt zu sehen. Sie geht äußerst zielstrebig regelmäßig auf und abends wieder unter – kann man die Uhr nach stellen, ehrlich. Die Sonne lebt nicht aus dem Bauch raus und scheint nur dann, wenn es kitzelt. Die Sonne tut ihre Pflicht: sie scheint, ob es uns gefällt oder nicht.
Würde sie sich verweigern, gäb es uns erst gar nicht. Wir wären so etwas wie namenlose, schwarze Stille hinter dem Weltraum links. Im heutigen Predigttext begegnet uns Gott als Macher von Ordnungen und Freiheiten, von Bindungen und Weisheit, als Gestalter von Lebensraum überhaupt. Es geht um Recht und Ordnung Gottes, wie er die Dinge ordnet, sieht und uns inspirieren und formen will zu gerechtem Leben.
1. Weil Gott gut geregelt ist
„Gerecht“ heißt er in der Sprache der Bibel. Gott ist ein gerechter Typ – also nicht so wie ich, der ich um Gerechtigkeit kämpfe. Er, nicht ich, ist derjenige, der das Licht bringt, die Harmonie, die Struktur, also die Gerechtigkeit. Wir glauben ihn in der Offenbarung des Schöpfungsberichtes als den Macher Himmels und der Erden – also er und nicht ich läßt Sonne scheinen, Wind wehen und Regen regnen. Er bringt die Elemente ins Gleichgewicht, in die Ordnung, die entstanden ist, damit dieser Planet auch nur eine einzige Runde dreht.
Wäre diese göttliche Regelung nicht, wäre nichts, aber auch gar nichts los hier. Irrsal und Wirrsal wäre statt blumenblühender Planet. Würde nur ein einzelner Mensch auf der Erde wohnen, bräuchte es Gottes Gesetz gar nicht. Leben und Zusammenleben kann ohne Ordnungen gar nicht möglich sein. So stellt sich die Frage eigentlich nicht, ob es Ordnungen braucht, weil es selbstverständlich ist. Da, wo zwei oder drei Menschen zusammenleben, brauchen sie ein gemeinsames Setting, damit die Sache funktioniert.
Nichts ist tödlicher, als wenn ein Einzelner sich für wichtiger hält als der Rest der Welt. Nur Gott, der allein göttlich ist, vermag eine gut ausgewogene Lösung für zwei oder mehr Menschen anzubieten.
Ich persönlich tendiere schon zum Mörder, wenn der untertrainierte Drehorgelspieler länger als zwanzig Minuten in der Kirchheimer Innenstadt drehorgelt. Da hilft mir dann das göttliche Gebot „Du sollst nicht töten“ mich vor Schlimmerem zu bewahren, und wenn es mir nicht helfen würde, so hilft es wenigstens dem Drehorgelspieler, mit heiler Haut davonzukommen.
Würde ich das ausleben, was mir mein Bauchgefühlt sagt, würde möglicherweise das musikalische Gleichgewicht mindestens in der Kirchheimer Innenstadt verlorengehen. Gott ist Gott, nicht ich, und hat einen viel humaneren Plan von dem, was richtig ist und was nicht. Zehn Gebote drücken auf die Schnelle aus, was er ansagt, für uns gut ist und für andere mit.
Es
2. Regelt uns mit
Gott ist doch nicht die Spaßbremse, die auf moralinsaure Art unsere Bewegungsfreiheit einengt. Wir sind so geschaffen, daß wir entgleisen können. Wir sind fähig zur Sünde, fähig zur Lüge, fähig zum Diebstahl, fähig zu töten.
Gott hätte unseren Verstand wie einen LKW-Tacho bei 90 km/h abschalten können. Unser Verstand schaltet aber nicht bei Sünde ab. Gott will, daß wir das selber machen, daß wir selber anfangen, seine Weisungen zu suchen und zu verstehen. Das ist Gottes Gerechtigkeit, daß wir verstehen lernen, daß es dieses Gleichgewicht braucht, Gleichgewicht zwischen Kopf und Bauch.
Wer sich selber und seine Gefühle zum Maß aller Dinge macht, sackt wie eine viel zu schwere Waagschale nach unten. Wer sich und seinen Verstand zum Maß aller Dinge macht, sackt auf der anderen Seite nach unten. Selbst wenn es gelänge, eine Gruppe von Menschen zu einheitlichen Normen zu vereinen, wär es noch lange nicht gesagt, daß es die richtige Norm wäre. Zu katholisch, zu chinesisch, zu schwarz oder zu männlich, zu naiv oder zu konservativ könnten diese Wertvorstellungen sein.
Allein in Gott kann Gleichgewicht sein, weil er immer auch die andere Seite sieht, die Seite, die ich nicht sehen kann. Weil Gott gerechter ist als ich, ist seine Gerechtigkeit besser für mich als meine eigene, weil ich eigentlich ein kleinkarierter, selbstgerechter Spießer bin. Gerechtigkeit ist ein Thema, dem ich nicht gewachsen bin, weil mein ureigenster Überlebenstrieb dem total entgegensteht.
Vor Gottes Angesicht entdecke ich mich als einen, der immer zu klein denkt von sich und vom Rest der Welt. Das wird nie besser, sondern fängt immer neu von vorne an. Selbst der moderne Mensch von heute streitet sich, wer als nächster an der Reihe ist und behauptet im gleichen Atemzug, höher entwickelt als der Steinzeitmensch zu sein. Der Schrei nach Gerechtigkeit ist überall, wenn auch da und dort im Infraschall, weil es uns unmöglich ist, so zu sein, wie wir sein wollten: Gott gleich, so ganz ohne unser ureigenstes Machen. Gottes Gerechtigkeit steht außer Raum und Zeit, ist unabhängig von Parteien und Institutionen, von Meinungen und Befürchtungen.
Seine Regeln sind für nur eine Sache bestimmt: unser Leben zum wahren Leben zu machen.
3. Damit wir alles regeln können
Es geht um Leben, und es fühlt sich immer schlecht an, an der roten Ampel zu stehen, während der andere grün hat und fahren darf. Es fühlt sich schlecht an, die Regeln einzuhalten, wenn andere scheinbar ungebremst an einem vorbeiziehen. Es fühlt sich an, als ob Gott uns hätte stehen lassen im großen Spaßbahnhof des Lebens. Der Ehrliche scheint der Dumme zu sein und erfolgreich nur der, der von rechts überholt.
Versteht man die Ordnungen Gottes nur wie ein bürgerliches Gesetzbuch, werden sie schon zu einem tonnenschweren Klotz am Bein. Versucht man, sie künstlich zu erleichtern, verlieren sie Gestalt und Gewicht. Überholt sind sie deshalb noch lange nicht.
Ja, sie stammen aus einer alten Zeit, aus einer heißen Gegend und wurden im Sand der Wüste zu Papier gebracht. Etwas Besseres gibt es trotzdem nicht. Selbst eingefleischte Atheisten müssen zugeben, daß die Menschheit eine Art Regelwerk für Zusammensein braucht. Warum also nicht etwas, was sich im Staub der Sahara schon lange bewährt hat?
Gerade in unseren Tagen, in denen es öfters mal heiß hergeht, jeder sein eigener Messias ist oder wie es der Theologe Jetter sagt „Narren ihre Patente anpreisen.“
Da freu ich mich auf das, was der alte Mose zu Papier gebracht hat – genauer genommen zu Stein – was stabiler trägt als so mancher schnelle Rausch in uns und um uns herum. Gottes Worte sind uns anvertraut, sollen nicht nur bewahrt und weitergegeben werden, sondern aktiv alles regeln. Das Gesetz des Mose ist nicht der Klotz an unserem Bein, sondern der Fels, auf dem wir stehen. Er findet in Christus seine Vollendung und ist weit mehr als ein Leitfaden für frommes Sein. Er ist der Quellcode für Leben, unverzichtbarer Bestandteil unserer Religion, in unsere Hände gegeben, um in ihnen aktiv zu sein.
„Haltet euch an diese Gebote, und befolgt sie; dann werden die anderen Völker sehen, wie weise und klug ihr seid.“
Amen.