Wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt

Sonntag, den 02.06.24

Jeremia 23, 23-29

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?, spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR. 

Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen  und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, so wie ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? 

Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR.  Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt

Das Problem am Felsen ist, daß er fest ist, felsenfest, um genau zu sein, und daß es gar nicht so einfach ist, einen Felsen in Stücke zu hauen. Normalerweise zerbricht eher der Stiel vom Hammer, als der Fels – weiß jeder, der das schon ausprobiert hat.

„Mein Wort ist mehr als das“ spricht Gott „und ist hammerhart“.

Und nicht nur das, es kommt noch härter und heißer, als gedacht.

1. Stärker als Dynamit

2. Heißer als Feuer

3. Nah und fern zugleich

1. Stärker als Dynamit

Es geht um’s Wort, das Wort, Wort Gottes, das Wort, für das die Bezeichnung „Wort“ eigentlich unvollständig ist, weil es in sich mehr ist, als eben nur Wort.

Gottes Wort ist darüber hinaus lebendiges Ereignis – wie eine lebendige Sprache, sonst könnte sie ja aufgeschrieben zwischen alten Buchdeckeln in alten Bibliotheken verstauben – tut sie aber nicht.

Diese Sprache spricht. Gottes Wort liegt nicht in Regalen rum, sondern wird gesprochen – jeden Augenblick.

Wort geschieht. Die gedruckte Form kann nur ein Schatten jenes Wortes sein, das Gott spricht, nachdem er es gesprochen hat. Das ist das Problem seines Wortes, dass es spricht, lebendig ist, sich ereignet.

Das ist nicht nur das Problem einiger Leute bei Jeremia vor zweitausend Jahren, sondern heute noch.

Gottes Wort, das aktiv ist – ein lebendiges Wort, das gesprochen wird, kann und muß man hören und verstehen. Ein Gott ohne Worte wär bestenfalls ein Witz – wie es Karrikaturen gibt, wo einfach nur „ohne Worte“ druntersteht.

Gott ist aber kein wortloses Wesen. Er kann sich ausdrücken – nicht nur in Sprache wie Englisch oder Deutsch, sondern mehr.

Sein Wort ist Ereignis, es lebt, es schafft, was es sagt.

Weil es wirkt, wird klar, dass man sich dieses Wort nicht zurechtdenken kann oder hineinwünschen.

Gottes Wort gehorcht einer eigenen Kraft. Es lebt. Mit diesem lebendigen Wort kann und muß man sich auseinandersetzen.

Gott ist kein gedachtes Wesen. Deshalb gibt es auch keine vermutete Botschaft von ihm, sondern klare Aussage, wie: Licht werde! Und Licht ward.

Lebensschaffendes Wort begnügt sich nicht in unwirksamen Gedanken, sondern zeitigt ein Ergebnis.

Jeden Morgen geht die Sonne auf – wenn sie niemand auf die Reise schickt, passiert auch nix.

Jeder Computer wäre ohne Befehle, ohne Software, Elektronikschrott.

Das Wort, das Gott spricht, ereignet sich – eben und gerade darin, dass er uns Menschen so nicht sieht, wie wir uns selber wünschen und sehen.

Es ereignet sich darin, dass er das anspricht.

Gottes Wort ereignet sich – auch darin, dass es so ganz anders ist, als wir es zeitweise wünschen, wollen und verstehen.

Lebendiges Wort ist lebendige Anfrage an uns – wo wir sind und wo wir stehen, und diese Frage an uns, Gottes Wortereignis, kann durchaus ein richtiges Ärgernis sein – ein Hammer, der Felsen zerschmeißt.

Gottes Wort lullt uns nicht ein, sondern es fordert heraus. Das, was Gott spricht, ist immer dann richtig schwer zu verstehen, wenn er anderer Meinung ist als ich über mich.

Das lebendige Wort des lebendigen Gottes lässt sich eben nicht ausdenken, sondern es ereignet sich.

Wir wissen heute nicht, was er morgen zu sagen hat. Wüßten wir, was Gott morgen sagt, wäre er ein Gedankengebäude – ist er aber nicht.

Der erste Felsen, den dieser Hammer zerschmeißt, ist die Vernunft.

Der Theologe Voigt sagt: „In dem Augenblick, in dem wir es mit dem wirklichen, dem lebendigen Gott zu tun bekommen, wird alles, was wir ersonnen und erträumt haben, im Nu über den Haufen geworfen sein.“

Das ist dann eben ärgerlich, wenn der liebe Gott so ganz anders ist, als man ihn geträumt hat. Wenn das Wunschwesen Gott zu einem wird, der ganz anders ist, bekommt man ein Problem.

Wenn der liebe Gott uns nicht so reich und glücklich, gesund und kinderreich macht, wie wir das gerne hätten, ist ganz schnell Schluß mit lustig.

Gott will selbst bestimmen dürfen, was er sagt. ER hat bei der Wahl seiner Worte freie Wahl. ER will nicht Sklave frommer Süchte seine.

Somit ist das lebendige Wort Gottes im Dauerstreit mit jeder Gottesvermutung, das lebendige Wort etwas Fremdes in unserem Denken – wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt.

Das ist

2. Heißer als Feuer

Ein geträumter oder gedachter Gott wär eine relativ harmlose Sache. Man könnte damit seinen persönlichen Lebensplan irgendwie religiös veredeln.

Funktioniert aber nicht wirklich. Das lebendige Wort ist ein Wort, das Klarheit schafft. Bei Jeremia führt es in einen scharfen Trennungsprozeß – nicht zu den Ungläubigen, sondern zu den fromm-falschen Propheten seiner Zeit, zu den Geistlichen, die das predigen, was Quote bringt, was gut ankommt und breite Zustimmung findet – diese Auseinandersetzung gibt es heuten noch.

Es ist natürlich peinlich, wenn der Pfarrer einer ist, der alles, was im Leben Spaß macht, versaut auf religiöse Art.

Die religiöse Lustbremse ist aber nicht der Entwurf Gottes, genauso wenig wie der moralinsaure Dauermahner. Von den selbsternannten Coaches und Gurus unserer Tage wollen wir gar nicht erst reden.

„Sie umdunsten euch“ übersetzt Buber. Es stellt sich schon die Frage, ob ein Gottesdienst, in dem alles möglich und jedes richtig ist, die gottgewollte Art ist.

Das lebendige Wort Gottes will den Menschen nicht alleine dauerkuscheln, sondern formen in seinem Lebensweg.

Es ist nicht die Idee Gottes, sonntags morgens zahnloser Kuschelbär zu sein, auch dann nicht, wenn unsere Seele in ihm ein Zuhause findet.

Gottesdienst kann doch kein Gute-Laune-Kino sein, das der Pfarrer machen muß. Wort von Gott, die Predigt, will und soll die formende Kraft des Glaubenslebens sein.

Wie soll Formgebung des Wortes Gottes stattfindet, wenn alles im Unterhaltungsprogramm stecken bleibt?

Daß Gottesdienste leerer werden, ist leider Gottes auch ein Problem der falschen Erwartungen, die der Einzelne an den Gottesdienst stellt.

Der Kirche wird vorgeworfen, dass sie die Menschen von heute nicht mehr erreicht. Aber wollen sich die Menschen von heute überhaupt noch erreichen lassen, wenn Gott Klartext spricht?

Sobald ein klarer Anspruch Gottes auftaucht, wird’s doch heiß.

Jeremia spricht den Dunstkreis falscher Erwartungen an, mit denen der Einzelne sich umdunstet, und der von den Propheten seiner Zeit bedient wird.

Die Dunstbotschaft dieser Propheten heißt:

„Ihr seid alle ganz toll!“

„Gott hat euch lieb!“

„Bleib wie du bist.“

oder: „Du selbst bist Gott.“

Klar, so was bringt Publikum. Das zieht mit. Dazu noch die richtige Musik, und die Stimmung steigt.

Das Wort will aber keine Droge sein. „Der Gott, der uns weiterträumen lässt, wäre nicht der lebendige Gott.“ sagt Voigt.

Wo alles schon so gut und so schön ist, kann aber Gottes Wort nichts mehr formen. Es geht um Schein oder Sein – um den tiefen Trost, den Gottes Wort geben kann, aber nur dem, der erkennt, dass er getröstet werden muß.

Wort Gottes ist dabei

3. Nah und fern zugleich

„Ich, der Herr, sage: Ich bin nicht nur der Gott in euerer Nähe, sondern auch der ferne Gott, über den ihr nicht verfügt.“

Natürlich ist das eine Botschaft des Alten Testaments.

Klar ist, dass Gott uns freien Willen gibt, für sich selbst aber auch freien Willen herausnimmt.

So kann sich Gottes Ferne auch inmitten unseres Singens und Betens breitmachen, genau dort, wo es Gott um seinen freien Willen bringt.

Gott kann es nicht ertragen, von uns bevormundet zu sein.

Gottes Ferne stellt sich überall ein, wo religiöse Gottesbevormundung stattfindet.

Es gehört zum tiefen Ernstnehmen der Gegenwart Gottes, dass wir ihn akzeptieren als den, der er ist, nicht als den, der er für uns zu sein scheint.

Der Herr ist ER. Gott will sich nicht anpassen. Er will formen. Er geht auf uns zu, liefert sich in Christus sogar aus – aber er verbiegt sich nicht.

Es ist nicht Gottes Ziel, dass die Kirchen leergepredigt werden mit überzogenen Ansprüchen und Drohungen, es ist aber auch nicht Gottes Ziel, dass sie im Pille-Palle versanden.

Gottes Wort will Form geben, speziell denen, die begreifen, dass sie Form brauchen.

Ein Marmorblock, der an sich nichts weghauen lässt, wird nie zu einer großen Skulptur. Er bleibt immer einfach nur Stein.

Gottes Wort will uns aber bewegen. Gott hat einen größeren Traum als den, den wir selbst von uns träumen.

Form geben kann das lebendige Gotteswort nur dort, wo der Einzelne in Christus Raum dafür gibt.

Das Ja zu Christus ist ein Ja zur Erschütterung meiner selbst  und meiner Idee mit der Welt.

In Christus kommt Gott ganz nah an uns ran. Fühlt sich streckenweise eher weit weg an, ist aber Teil jener großen Sympathie Gottes, die die Erde trägt.

Schlimmer wäre ein Gott, der keine Worte mehr fände, der sich ausbreiten würde wie peinliches Schweigen – Gott, der nichts mehr zu sagen weiß.

Da wär dann gar nichts mehr, kein Rufen, kein Flüstern oder Schreien.

Ein Gott ohne Worte wäre Einsamkeit meiner selbst: Ich mit mir allein, ich, der ich mich selbst zurechtleben müsste, ohne Aussicht auf wirklichen Erfolg.

Davon will der Prophet zurückrufen und zu der Gewißheit, daß das Wort stärker ist und alle Mauern zerbröseln kann, die unseren Weg in die Zukunft verbauen – nicht nur im alten Israel, heute noch. Amen.

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