Über den Jordan gehen

Predigt vom 12.01.25

Josua 3, 5-11,17

5 Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. 

6 Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. 

7 Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 

8 Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. 

9 Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! 

10 Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: 

11 Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan. 

17 Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war. 

Über den Jordan gehen

Mal ganz ehrlich: Von uns ist doch keiner dran interessiert, doch nicht auf diese Art, was man so landläufig darunter versteht.

Mit Flußüberquerungen kenn ich mich ziemlich gut aus. Links von unserem ehemaligen Bruderschaftshaus fließt die Erms und rechts der Ermskanal. Will man über die Erms, kann man ganz einfach über die Brücke gehen. Man kann aber auch auf den Sommer warten oder sich Gummistiefel anziehen oder ein Floß bauen, um die ungeheure Wassertiefe von 30 cm ohne Lebensgefahr zu überwinden.

Wenn einem die Gummistiefel vollgelaufen sind oder das Floß gekentert ist, weiß man, wie ungeheuer stark der Wasserdruck von einem Provinzbach sein kann, der im Sommer gegen das Austrocknen kämpft.

Das Volk Israel will oder soll nicht über die Erms gehen, sondern über den Jordan. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Israel ist

1.Zum Unmöglichen gerufen

2.Von Gott groß gemacht

um

3.Mit trockenen Füßen durch`s Wasser zu gehen

1. Zum Unmöglichen gerufen

Der Jordan ist kein kleiner Gebirgsbach, der sanft vor sich hinplätschert.

Er wird aus drei Quellflüssen gespeist und fließt 250 km lang durch das Heilige Land.

Er ist ein starker Strom wie Donau oder Rhein, Grenzfluß zwischen Jordanien und Israel

Mit seinen Wassermassen ist er die wichtigste Süßwasserquelle für gleich zwei Länder: Jordanien und Israel.

Zur Zeit des heutigen Predigttextes ist der Fluß nicht in seinem Normalzustand, sondern wie bei uns nach der Schneeschmelze: Hochwasser.

Das heißt: Nach 40 Jahren Wüstenwanderung steht Israel an einem reißenden Fluß, der Hochwasser führt.

Wir haben in Dresden an der Elbe oder im Aartal gesehen, wie sowas aussehen kann.

Da stehen 1-2 Millionen Menschen so kurz vor ihrem Lebensziel und können nicht hinein ins gelobte Land, weil der Fluß es nicht zuläßt, auch ohne Hochwasser schwierig ist.

Drei lange Tage stehen sie da und schauen sich das Elend an, wie das Wasser vorbeizieht, ein Durchkommen unmöglich macht.

Es sieht so aus, als wäre man zur falschen Zeit am falschen Ort. Zum Greifen nah ist das gelobte Land – und man kann nicht rein. Da wird die Frage wohl erlaubt sein, ob der Führer Josua alles richtig gemacht hat.

Es wird wohl erlaubt sein, nach einer besseren Stelle, anderen Gelegenheit oder einem geeigneteren Führer Ausschau zu halten.

Da ist das Versprechen Gottes.

Da ist auch der reißende Fluß.

Der Jordan scheint allen Verheißungen Gottes zu widersprechen – zuviel Wasser, zu naß, zu lebensgefährlich, zu unüberwindlich. Kurz vor dem Ziel steht alles in Frage. 

Es ist die Situation des Glaubens überhaupt. Hätte ich selber eine Idee, wüßte ich, wie man das machen muß, könnte ich den Wellen gebieten, wäre das Ganze ja einfach. Es geht aber alleine nicht. Die wesentliche Erkenntnis am Ufer des Jordan heißt: Ich kann es nicht allein.

Auch wir können es nicht. Wir brauchen einen, der mehr kann.

„Morgen will der Herr ein Wunder tun.“ verkündet Josua und macht klar, daß nicht er oder die Priester hier der Macher sind, sondern ein anderer.

2. Von Gott groß gemacht

Die ganze Bibel berichtet von Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben – also eben nicht ohne ihn.

Nicht das große Abrakadabra, nicht die eigene Spiritualität, nicht die starke Magie, sondern Gott allein wirkt Wunder. Es ist nicht unser Impuls, nach dem Gott handelt, sondern seiner.

Gott hält das Wasser auf, sonst keiner.

Der Herr will das Wunder tun – nicht Josua.

Es ist wie beim Auszug aus Ägypten. Wir kämen gar nicht auf die richtige Idee.

Wie würdet Ihr`s denn machen, wenn keine Brücke, keine Fähre, keine Schwimmflossen oder sonst irgendein Hilfsmittel vorhanden ist?

Außenrum gehen bei einem zweihunderfünfzig Kilometer langem Fluß – oder auf den Sommer warten?

Am Rhein wird bei Hochwasser die Schifffahrt eingestellt, also auch die Fähre.

Flugzeug wäre heute möglich, damals eher technisch schwierig.

Gott wirkt das Wunder – nicht die Menschen.

Gott will, daß die Menschen eine Möglichkeit sehen.

Am Jordan will Gott sichtbar sein.

Es steht in seinem Terminkalender.

An diesem Tag tritt seine Kraft sichtbar in Erscheinung, weil er es beschlossen hat.

Deshalb können wir auch nicht an die großen Fluten des Lebens treten, den Zauberstab schwingen und erwarten, daß sich irgend etwas tut. Gott ist der Handelnde. ER bestimmt, was sich tut und wen er groß macht.

Nicht wir bestimmen, wann die Wasser sich teilen und wann nicht – aber: Wir verfügen über einen Partner, der für uns sehr wohl ansprechbar ist.

Das Wunder am Fluß ist in allererster Linie dazu gedacht, Gott groß zu machen, darüber hinaus den neuen Anführer Josua in seinem Amt zu beglaubigen.

Das Wunder zeigt allen, daß Gott es kann.

Es ist der Tag, an dem er sich zeigt, seine Nähe spürbar werden läßt für alle, die sich von ihm ansprechen lassen wollen.

Wer in seinem Zelt auf der Luftmatratze liegen bleibt, kann nicht erleben und sehen, was draußen im Flußbett abgeht.

Wer die Augen nicht aufmacht, kann Gott nicht sehen.

Wer sich nicht bewegen läßt, kann nicht

3. Mit trockenen Füßen durch`s Wasser gehen

Der arabische Geschichtsschreiber Nuwairi berichtet, daß am 8. Dezember im Jahre 1267 vor Christus der Jordan für 12 bis 16 Stunden kein Wasser mehr geführt hat. Ein Erdrutsch bei Tell ed-Doramiyen im oberen Flußlauf, ausgelöst durch ein starkes Erdbeben, hätte wohl zu dieser relativ einzigartigen Wasserstauung geführt. Im oberen Lauf des Flusses gibt es sehr steile, schluchtartige Wände. Wenn es da zu einem Erdrutsch kommt, kommt es zu einer außergewöhnlichen Dammbildung, ähnlich einem Stausee.

Das, was unmöglich scheint, ist also möglich, wenn so ein kleines Erdbeben kommt.

Wir erleben auch in unseren Tagen, daß Flüsse sogar ganz austrocknen, wenn die Sommersonne heiß ist oder ganz einfach zu wenig Regen fällt.

Wie genau es passiert ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Fest steht: Israel war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Auch wenn es eine ganz natürliche Ursache war, die das Wasser aufgestaut hat, bleibt es mindestens ein außergewöhnliches historisches Ereignis, das nur alle paar hundert Jahre vorkommt.

Wenn das kein Wunder ist …

Der Zeitplan Gottes durchbricht den stetigen Lauf des Flusses und beseitigt das entscheidende Hindernis.

Ein ganzes Volk kann mit trockenen Füßen nicht über- sondern durch den Jordan gehen.

„Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun.“ 

Verheißung wird Wirklichkeit – erfahren läßt sich das heute noch, ist aber keine Frage meiner mentalen Stärke oder Glaubenskraft.

Es ist die Frage nach der Blickrichtung. Ich kann auf das Wasser schauen, ich kann auf mich selber schauen, ich kann aber auch auf Gott schauen.

Es ist nie allein die Frage meiner persönlichen Verfassung, es ist vor allem die Frage von Gottes Zeitplan, wann und wie er will, wann es in seinem Zeitplan steht.

Damit es durch und nicht „über“ den Jordan geht, braucht es den Blick in Gottes Terminkalender, in dem allein steht, was möglich ist und was nicht.

Gott läßt uns nicht am Ufer stehen. Er will sich sehen lassen, er will mit anfassen, er will mitreden bei dem ganzen Geschehen.

Lassen wir ihn an uns heran, läßt er uns seine Möglichkeiten sehen. Die sind weitaus größer, als man glauben kann.

Für Israel kommt es auf den Blickkontakt an, daß man die Bundeslade nicht aus dem Auge verliert.

Der heutige Predigttext lädt uns dazu ein, Gott nicht aus dem Auge zu verlieren. Amen.

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