Seite an Seite mit dem Hohlblockstein

1. Petrus 2, 4-10

Er ist eher ein schlichter Stein, der Hohlblockstein, unscheinbar grau, bröselt so ein bißchen. Er ist nicht die Sorte Stein, von der der Maurer träumt – HBL – so nennen ihn viele respektlos, den Stein, der viele Häuser trägt, der immer dann vermauert wird, wenn sonst grad nichts anderes da ist. Mal ganz ehrlich, könnten Sie sich vorstellen, so als edler Backstein, neben einem so billigen Hohlblockstein vermauert zu sein? Wäre doch unter Ihrem Niveau, oder nicht? Die Kirche ist eine Mauer, in der ganz unterschiedliche Steine vermauert sind, die trotzdem hält, auch wenn es unterschiedliche Steine sind und wenn da und dort eine Lücke klafft.

Gott erweitert unsere Vorstellungskraft: Christen leben in dem Bewusstsein, in Christus vermauert zu sein zu einem weltumspannenden Bauwerk.

1. Unter uns

Ich lege in Zion einen Eckstein, den ich in Ehren halte.

Wir sind von Gott dazu berufen, etwas Ganzes zu sein, eine Verbindung, eine Mauer, dieser Welt als Gegenüber und in ihr lebend. Gott hat den Menschen nicht als „Solo-Stein“ erschaffen und einsam und dekorativ in die Wüste gelegt. Gott will, daß Christen zusammen sind, daß Glaube sich gemeinsam ereignet. Nur so kann echte Kirche sein. Unter uns  steht der schwerste, der wichtigste, der „Christus-Stein“. ER trägt die Kirche. Er hält sie nicht nur, sondern er gibt ihr Form, Richtung, Höhe, Aussehen und Ordnung. Ohne Christus unter uns, wäre die Kirche ein „Multi-Kulti-Schotterwerk“, ein Haufen bunt übereinander geworfener Kieselsteine – querbeet. Ohne Christus unter uns, wären wir bestenfalls eine Ruine, die schräg, wie der schiefe Turm von Pisa, steht. Unter uns Christus – formgebend, platzanweisend. ER trägt alles, die ganze Mauer lastet auf IHM.

Eckstein  unter uns. Christus gleicht aus, lastet ab – das zuviel der Sünde, der Welt und uns inclusive. Wir sollen uns nicht die besten Plätze in der Mauer aussuchen. Christus kennt uns und weist uns Plätze zu im Sinne göttlicher Statik. Christus prägt das Gesicht der Mauer dadurch, daß ER sie selber gestaltet. Unerforschliche, künstlerische Gesichtspunkte leiten ihn, seine Architektur. Unter uns ist ER! Die Diskussion über die Art und Weise, was er wie – wo – zusammenfügt bleibt außen vor. Es gibt nichts, mit ihm zu diskutieren unter denen, die vertrauen, auch dann nicht, wenn direkt neben uns ein Hohlblockstein lebt.

2. Neben uns

Laßt euch aufbauen zu einer Mauer.

Gottes Ziel ist ganz klar Gemeinschaft. Neben uns – mit dicken, großen, kleinen, harten, weichen, eckigen, runden oder scharfkantigen Steinen. Neben unbehauenen, wildromantischen oder kahlen Steinen. Neben fetten Brocken und total gespaltenen Steinen. Neben nachdenklichen, stürmischen oder kurzentschlossenen Steinen. Neben jungen und alten, männlichen oder –weiblichen, neben modernen oder konservativen oder „ich-weiß-nicht“-welchen Steinen. Neben evangelischen, katholischen, „Kleinschotter“ und sonstigen Kieselsteinen.

Hätte Gott etwas Uniformiertes gewollt, er hätte die Kirche betoniert – Einheits-Zementgrau. Aber er wollte lebendige, verschiedene Steine. Der Einzelne soll nicht im Großen untergehen. Er soll Teil des großen, ganzen sein – Phasette, Farbtupfen, Bereicherung. Es gibt sehr viel Platz für unterschiedliche Gaben, Fähigkeiten und Interessen. Christus stoppt nicht ab, er entfaltet. Gott mutet uns zu, neben einem Hohlblockstein zu sein, aber nicht so dicht drauf, daß unser persönliches Gepräge dabei untergeht. Dazwischen ist – das weiß jeder Maurer – immer eine Dehnungsfuge für das Lebendige unter den Steinen. Die Suche nach Gott führt immer in die Gemeinschaft und zu der Frage, wieviel und in welcher Form wir bereit sind, unser privates Profil in Gottes Profil hinein zu opfern. Der Hohlblockstein muß es akzeptieren, wenn man Teile von ihm mit der Axt weghaut, damit er in die Mauer paßt.

Lebendige Steine, lebendige Christen, haben lebendige Lebenserwartung. Die Eingliederung in die ewige Kirche läßt wenig Spielraum für private „Traumtänzereien“. Da bin ich – und neben mir ist jene andere Sorte Stein, mit der ich so schwer leben kann. „Wie will ich mit dem ewig leben, gemeinsam eine Mauer sein“? Neid, Geiz, Mißgunst und Haß haben sowieso keinen Platz in der Mauer Gottes. Unterschiedliche Steine müssen gemeinsam eine Mauer sein. Wir sollen und wir können nur gemeinsam stehen. Wenn Christus mich trägt, ist doch gar nicht die Frage, wer neben mir steht und wie und wo ich stehe. Es ist nur die Frage, wie Steine in der Mauer zueinander sind – steinhart oder eher anders?.

„Friede unter Steinen“ ist kein Zufallsprodukt, er muß in Christus erarbeitet sein, eine Lebensaufgabe. Keiner kann aus der Mauer herausfliehen. Wer sich entzieht, entwickelt die Kirche zur Ruine. Rückzug gilt nicht. Aufbau ist angesagt. Aufbau weit über die persönliche Grenze hinaus, weit über das, was man sich selber zutraut, hinein in die Möglichkeiten Gottes. Nur so gelingt es uns, gemeinsam die Grenze zu finden zwischen mir und dir, zwischen Back- oder Hohlblockstein. Nur so ist Platz für neue Steine, Platz für Entdeckung und Platz zum Aufbau. Laßt euch als lebendige Steine aufbauen zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus heilige Opfer darzubringen.

Wir sind als eine Zufluchtsstätte geplant, als Mauer für die Welt, die Schlußpunkt

3. Vor uns liegt

Wir stehen als Mauer, als Schutzwall und als Grenze – Stein auf Stein. Das ist kein Spaßprogramm, sondern heilige Priesterschaft – Opfer.

Wir sind Bauwerk Gottes – ob als Kathedrale oder Hundehütte, Brückenpfeiler oder Pyramide. Wer die Richtigkeit seines Christentums vom persönlichen „Wellnes-Faktor“ abhängig macht, zerbröselt beim ersten Regen, der über die Mauer geht. Vor uns liegt eine ganze Welt. Christus will man da und dort ganz bewußt nicht und das kann ungemütlich werden, Christusmaßstäbe in dieser Welt zu vertreten. Dabei muß man ja nicht einmal unbedingt Reizthemen wie – Abtreibung, Genmanipulation o.ä. – ansprechen. Wer sich als christliche Mauer versteht, muß „warm angezogen“ sein, warm genug, um wochenlang im Regen zu stehen. Mauer sein, heißt Mut zum Konflikt entwickeln. Es kostet Kraft, sich auslachen oder ignorieren, mundtot machen zu lassen, dort wo die Modemeinung wo anders hin geht. Es kostet Kraft, auch Schutzmauer zu sein, Zuflucht zu geben, denen, die nicht mehr weiter wissen. Es kostet Kraft, mit zu weinen mit einem Menschen, dessen Leben gescheitert ist. Es kostet Kraft, den zu trösten, der nicht mehr will und dessen Hoffnungen verdorren. Stein in der Mauer sein, das heißt für andere den Wind ins Gesicht kriegen, für andere schwitzen, naß werden oder frieren. Stein in der Mauer sein, das heißt aber auch von den anderen Steinen gehalten zu sein, geschenkt kriegen, angehört zu werden.

Man muß zwar nicht unbedingt fromm sein, um einen Freund zu haben, der einem zuhört. Aber es ist eine tolle Erfahrung, in der Kirche Christi gehalten zu sein, in ihr „vermauert“ und unterfangen zu leben, spätestens dann, wenn alle anderen Steine bröseln, ist wenigstens ein Stein, der mich trägt. Seite an Seite mit einem Hohlblockstein sein, heißt Seite an Seite mit einem Edelstein sein. Und wer trägt nicht gerne in Gesellschaft einen teuren Diamanten auf?

Christus als Edelstein. Wegen ihm allein lohnt es sich, Hohlblock unter Backsteinen zu sein, eingemauert. Deshalb: Seite an Seite mit einem Hohlblockstein. Vielleicht gelingt dann auch die Entdeckung, daß ich selbst ja auch nichts anderes bin. Amen.

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