20.08.2023 -Br. Markus – Jesaja 29, 17-24
Normalerweise ist ja da der Frisör zuständig, wenn was neu gemacht werden muß. Man geht mit langen, schwarzen Haaren rein und kommt mit kurzen grünen wieder raus. Sieht doch toll aus – oder nicht – so ein ganz neues Outfit, in dem einen nicht einmal die eigene Oma wiedererkennt.
Wie verwandelt sieht sie da aus, die graue Maus, die plötzlich top gestylt an uns vorbeirauscht.
Irgendwie anders, so ganz neu wird die Welt, in der wir leben – sagt Jesaja. Aber nicht getunt oder aufgebrezelt, runderneuert oder geflickt – wenn Gott die Welt verwandelt, geschieht mehr.
Es geht um Veränderung von Grund auf, um Veränderung, die ist, und um Veränderung, die geschieht.
1. Was gut war
Anfang der Zeit ruht unsere Welt in Gott und somit in einem für sie günstigen Licht. Alles war sehr gut – wirklich alles.
Gott bewertet sich selbst und die Welt, die er geschaffen hat, mit „gut“ – am Ende des letzten Schöpfungstags.
Er gibt sich und uns die maximal mögliche Punktezahl. Sie war gut, richtig gut – nicht nur ein bisschen. Gott stellt die Menschheit doch nicht in eine bröselnde, bröckelnde, alternde und zerfallende Welt. Das Gute, Helle und Wahre war unsere erste Wirklichkeit des Seins.
Sie nannten es und nennen’s noch: „Paradies“, das unsere erste Wirklichkeit und unser Startpunkt war, von dem sie ausgegangen sind, die vielen Irrungen und Wirrungen des Seins. Es war gut – es war. Wir wissen das.
Heute müssen wir das das Gute, von Gott Gegebene als das, was war, als das eben Gewesene, als Vergangenheit begreifen – so, wie gestern – gelebt, vorbei, nicht zurückholbar. Er ist ausgeträumt, der Traum vom Paradies, überholt von der Wirklichkeit, von unserer Gegenwart, die alles andere als gut scheint. Aber sie ist unsere Welt, unsere Wahrheit, der wir täglich begegnen, in der das Gute so unwirklich geworden scheint wie Gott selbst, der nichts mehr zu sagen hat oder zu schweigen scheint.
Das Gute – eine Vergangenheit, die verloren scheint, die gewesen ist, aber nicht einfach nur war, sondern wieder neu hindurchscheint durch die Schatten der Geschichte, hinein in unsere Tage. Der Unwandelbare verwandelt das, was der Mensch verkehrt hat, wieder zurück.
Gott weckt in Jesaja eine Ahnung von Licht, eine Ahnung von Frühling, von Wende, vom Neustart, die beispiellos ist in der Weltgeschichte. Es gibt eine Hoffnung, die wesentlich größer ist als alle Angst, die uns umgibt, eine Hoffnung, die so groß ist wie unsere Vergangenheit, die die Vergangenheit zurückbringt, so, wie sie gewesen ist: gut.
Christus verwandelt auf Golgatha die Welt zurück in ihren Urzustand.
Das, was gut war
2. Ist besser geworden
Wir leben heute, zweitausend Jahre nach Christus. Wir haben zwei Vergangenheiten: Adam und Eva und Jesus Christus. Was für Jesaja noch Vision ist, ist für uns ja nicht vorbei, aber teilweise Vergangenheit, wie der erste Schöpfungstag.
Das Gute von Gott ist aber nicht nur unsere Vergangenheit allein, sondern in Jesus Christus unsere Gegenwart. Es ist genauso unser Heute, Hier und Jetzt. Derselbe Christus, der unsere Vergangenheit ist, ist unsere Gegenwart, seine Verwandlung Gegenwartserfahrung. Gott mutet uns diese Welt ja zu. Er beschenkt uns mit ihr und sie durch uns. Diese Welt ist unser Zuhause.
Christus regiert auch in ihr, auch in uns.
Er ist in ihr gegenwärtig – so gegenwärtig wie die Traurigkeit der Welt selbst, die durch Christus durchdrungen wird. Unsere Gegenwart ist besser geworden durch Jesus Christus. Sie ist aber zugleich auch noch Schattenerfahrung. Christus erlöst uns nicht aus der Schattenerfahrung. Er erlöst nicht aus der Welt, aber er erlöst von dem Bösen in der Welt. Er befreit von dem Zustand, in den die Welt ohne Gott geraten ist. Er befreit aber nicht in den luftleeren Raum. In der Welt liegt unser Ziel in ihr.
Unsere christliche Hoffnung kann deshalb keine weltfremde, weltverneinende Hoffnung sein. Sie wäre sonst im Widerspruch zu Gott, der sie geschaffen hat. Welt ohne den schönen Duft, vollendete Formen und Gesang wäre nicht Gottes Welt. Gott gönnt sie uns, er mutet sie uns zu, jene „böse Welt“, dieses „Jammertal“. Der unwandelbare Gott hat in Christus Verwandlung möglich gemacht.
Das ist kein weltfremder Traum, sondern richtige Auseinandersetzung mit dem richtigen Leben, mit meiner ureigensten Gegenwart. Damit die Hoffnung in mir lebt, muß ich in dieser Hoffnung leben, also aktiv sein. Aktiv in Christus kann nur sein, wer sich durch ihn verwandeln lässt. Verwandlung ist aber kein theoretischer Vollzug, sondern praktische Erfahrung, jeden Tag.
Verwandlung findet nicht irgendwann einmal irgendwo in einer fernen, goldenen Stadt statt, sondern gerade und auch heute und auch hier und auch jetzt – in meiner zementgrauen Stadt, mitten in der Hitze des Tages, bei der eintönigen Arbeit, auf ganz grauem Asphalt, unter Spöttern und Zweiflern, unter allen, die mich mögen und auch nicht mögen.
Verwandlung geschieht – hauptsächlich jetzt, im Heute. Gott ist Gegenwart, nicht Traum. Die Verwandlung durch Christus ist ein greifbares Ereignis inmitten der Welt, dort, wo man es geschehen lässt. Die Hoffnung, die dadurch in ein Leben kommt, ist nicht Unbestimmtes oder verwaschen Gefühltes, sondern klare Ausrichtung auf ein klares Ziel.
Gott verwandelt die Welt durch Menschen, die sich in Christus verwandeln. Das ist so etwas, wie eine große Wende – weltweit.
In Christus ist alles besser geworden. Wir sind sein Werk. Wir sind nicht das Ergebnis irgendeiner gewünschten oder gemachten spirituellen Erfahrung oder Entwicklung. Wir sind das Ergebnis seiner Kraft.
Wenn wir uns zur Gerechtigkeit entwickeln könnten, müsste die Erde in den Jahrtausenden erheblich vernünftiger geworden sein. Morden, Stehlen, Lügen und Betrügen soll aber selbst in den gesellschaftlich besten Kreisen immer noch möglich sein.
In der Welt haben wir heute, hier und jetzt Angst, aber heute, hier und jetzt hat Christus die Angst überwunden – das ist das Erlebnis, auf das sich unsere Hoffnung gründet, die Hoffnung:
3. Es wird noch viel schöner sein
Das wilde Bergland wird zum Obstgarten, Taube werden hören, Blinde kommen aus der Dunkelheit …
Jesaja’s Vision zeigt neue Horizonte auf. Es kommt noch besser, das Eigentliche steht uns noch bevor. Gott schafft alles neu – neue Welt für neue Menschen, verwandeltes Sein für alle, die sich verwandeln lassen. Die Auferstehungshoffnung gibt unserem Leben Sinn. Glücklichere Umstände, sonnigere Tage und bessere Zeiten haben uns viele andere auch versprochen.
Welt Gottes hält, was sie verspricht. Hoffnung unterscheidet sich – selbst von einem gesunden Optimismus. Es wird nämlich nicht von selber alles gut, sondern durch konkretes Handeln Gottes heute in den anbrechenden Morgen hinein. So nett das immer im Poesiealbum klingt, mit „Kopf hoch, wird schon wieder“ ist nichts getan.
Zu frustriert bin ich, als daß ich etwas ändern könnte, zu verletzt, als daß ich heilen wollte, zu enttäuscht, als daß ich es noch glauben könnte. Zu eng ist meine Sichtweise, als daß ich etwas sehen könnte, zu taub, als daß ich noch Ratschläge auf die Ohren brauche. Verwandlung ist einfach nicht mein Ding. Es ist Gottes Sache. Ich kann`s nicht. Allein in Christus kann es gut werden. Allein als sein Geschenk, weil ich es einfach nicht bring.
Wir feiern es in jeder Eucharistie. Wir feiern das Geschenk der Verwandlung – aus uns heraus, aus unserer Dunkelheit, aus unserem Frust ins göttliche Gegenteil, ins viel bessere Licht. Christus erreicht, was ich nie erreichen kann. Wir leben am Horizont der Hoffnung.
Man kann es versuchen, selber zu basteln. Viel einfacher und weitaus wirkungsvoller ist es, sich verwandeln zu lassen. Er verwandelt mich. Es ist das Geheimnis der Eucharistie, daß ich plötzlich eine Autobahn sehen kann, wo normalerweise Ende Gelände ist.
Dann werden sogar Taube hören und Blinde können sehen. Amen.