Sonntag, den 17.12.23 – 3. Advent
-Br. Markus-
Matthäus 11, 2-6
Johannes der Täufer war zu der Zeit im Gefängnis und hörte dort von den Taten Jesu Christi. Er schickte seine Jünger mit der Frage zu Jesus:
«Bist du wirklich der Retter, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?»
Jesus antwortete: «Geht zu Johannes zurück und erzählt ihm, was ihr miterlebt habt:
Blinde sehen, Gelähmte gehen, Leprakranke werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig und den Armen wird die frohe Botschaft verkündet.
Sagt ihm außerdem: Glücklich ist jeder, der nicht an mir zweifelt.»
Gott im Dunkeln finden
Wir haben im Keller eine geniale Stromspar-Automatik. Die schaltet immer dann das Licht aus, wenn man gerade keine Hand frei hat, es wieder einzuschalten.
Aua! Ruckzuck haut man sich die Birne am Kasten von dem Feuerlöscher an, den der geniale Architekt genau dort angebracht hat, wo man ihn im Dunkeln nicht vermutet.
Im Dunkel der Nacht finden wir das nicht, was total easy und selbstverständlich ist: den richtigen Weg.
„Gott will im Dunkel wohnen“ singt Jochen Klepper in seinem Adventslied und beschreibt damit einen Zustand, den jeder Glaubende kennt.
1.Gott wohnt im Dunkeln
2.Die Nacht ist schon im Schwinden
3.Uns hält kein Dunkel mehr.
1. Gott will im Dunkel wohnen
„Bist du wirklich der Retter, der kommen soll – oder müssen wir auf einen anderen warten?“
Wir sind darauf dressiert, Gott dort zu sehen, wo es hell ist, tausend Kerzen brennen, die Welt voll Schokolade ist.
O du fröhliche – es will uns nicht in den Kram passen, wenn Gott so ganz anders ist, wenn er draußen im Regen steht, wo es einsam und kalt ist.
Da schleichen sich schnell Zweifel an, ob es noch der richtige, der göttliche Weg ist, wenn er sich so ganz anders anfühlt.
Johannes der Täufer sitzt im Knast. „Selber schuld“ würden wir heute sagen. Er war halt ein bißchen zu undiplomatisch. Die Kirchenvertreter nennt er „Teufelspack“, die politische Elite „Schlangenbrut“ – schon klar, daß man sich so keine Freunde macht.
Hätte er das bei Putin gemacht, könnten wir ihn in Sibirien beim Steineklopfen besuchen – oder überhaupt nicht mehr.
Er hat sich sehr weit vorgewagt. Im Dunkeln, in der Kerkerhaft, ist er von Zweifeln angenagt. Ob es sich gelohnt hat?
Plötzlich ist nicht mehr sicher, ob er das Richtige geglaubt und gepredigt hat.
Plötzlich ist er einer, der nicht mehr so genau weiß, was er überhaupt noch glauben soll oder kann.
Die Dunkelheit und der Zweifel machen die Frage wach, wer Christus wirklich ist.
Er versucht, hinter das Geheimnis zu kommen, das diesen Menschen ausmacht.
Heute, Jahrtausende später, sind auch noch Zweifel wach, immer wieder neu, sowohl an Gott wie auch an Christus. Da sind so viele Dunkelheiten, die Gott unwahrscheinlich machen, so viele Kriege, Abstürze und Unfälle, Entgleisungen, als daß es eine bessere Welt geben könnte, so viel, was krank macht – und dann noch die verschiedensten Interpretationen, die alle darauf abzielen, Christus umzudeuten als Propheten, Humanisten, Philosophen oder Denker, ja sogar als Buddha. So viel Erleuchtung, daß man lieber das Licht ausmacht, um überhaupt noch schlafen zu können.
Dunkelheit, in der Gott wohnt – er hat die Welt nicht so gemacht, daß sie ohne Zweifel wäre. Er hat in allem Dunkel sein Licht angezündet.
2. Die Nacht ist schon im Schwinden
„Blinde sehen, Gelähmte gehen, Leprakranke werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig, und den Armen wird die frohe Botschaft verkündet.“
Da ist die Dunkelheit – und da ist das Licht. Da ist beides. Wir sind in ein Spannungsfeld hineingeboren, in eine Welt, in der beides ist: Licht und Dunkel. Sie ist weder nur dunkel noch nur hell.
Ewige Welt Gottes scheint hinein, ist aber noch nicht in Vollendung da. Wir unterscheiden uns als Christen von esotherischen Sichtweisen, die meinen, daß alles bereits hell und gut ist. Wir begreifen uns als dazwischenstehend – im Licht wie auch im Dunkel.
„Noch will das Alte unsre Herzen quälen“ formuliert Bonhoeffer.
Die Sehnsucht nach einem Erlöser für jetzt und sofort lebt ja in uns allen und ist auch nicht verboten. Wir müssen aber schon den Atheisten recht geben, wenn sie beobachten, daß unsere Welt schon noch zu unheil ist, um eine heile Welt zu sein.
„Die Nacht ist schon im Schwinden“ heißt: Sie ist noch da, greift nach uns, verstellt und verdunkelt die Sicht auf eine bessere, ewige Welt, auf das vollendete Licht, das unsere Zukunft ist.
Der Theologe Voigt sagt: „Die Möglichkeit des Vorbeigehens, des Nichtverstehens und Irrewerdens ist dem Glauben zugeordnet wie der Schatten dem Licht.“
Das heißt: Auch Christus bringt uns keinen zweifelsfreien Glauben, obwohl er den Menschen ohne Zweifel und Vorbehalte glücklich preist. Es braucht eine intensive Auseinandersetzung, um zu verstehen, daß der Glaube nur dann wirklich Glaube ist, wenn er gegen alle Zweifel geglaubt wird, mit allen Zweifeln, also im Vertrauen, trotz aller Zweifel. Ein Glaube ohne Zweifel muß sich dem Verdacht aussetzen, Psychoprogramm zu sein, Gehirnwäsche oder Dressur.
Gott wohnt in den Dunkelheiten meiner Zweifel. Genau dort ist der Ort, wo der Tag anbricht. Könnten wir die Erlösungskraft von Christus kalkulieren oder auch nur ahnen, wäre es eher Wissenschaft als Glaube.
Wenn der Tag anbricht, kommt ein anderer zum Zug, einer, der kann, was ich eben nicht kann, und das macht den Unterschied.
Christus ist der Kommende, Stärkere, ich bin viel zu klein, als daß ich irgend etwas erlösen könnte, geschweige denn mich selbst.
Wir verkündigen nicht irgendwelche Stories, sondern eine klare Botschaft von dem, der da kommt, um alles zu ändern, was sonst keiner ändern kann.
In Christus bricht der Tag an.
3. Uns hält kein Dunkel mehr
Es heißt nicht „es gibt kein Dunkel mehr“ sondern „uns hält kein Dunkel mehr“.
Auch wenn Weihnachten abgefeiert ist und die letzten Lieder verklungen sind, wird es wieder Dunkelheiten geben, die nach uns greifen. Es wäre nicht christliche Botschaft, würden wir was anderes behaupten.
Auch mit Christus bleiben Schatten.
Auch mit Christus bleibt Dunkel.
In Christus verliert es aber seine Kraft.
Wir sind dazu befreit, aus dem Schatten herauszutreten, der uns die Welt verdunkeln will, mit seiner Kraft ins Licht.
Wir sind dazu befreit, aus dem Schatten herauszutreten, den wir selber verursachen.
Wir sind dazu befreit, aus unserem ureigensten Schatten herauszutreten, dem Schatten der Schuld, den wir werfen.
Es gibt sie nicht, die Menschen ohne Schattenseiten.
Es gibt keinen, der von sich selber frei wäre.
Selbst wenn man nach bestem Wissen und Gewissen lebt, bleibt noch eine Spur von Dunkelheit, die unser Wesen ist und einen braucht, der uns befreit.
Christus bringt die neue Wirklichkeit.
Kranke werden gesund – aber nicht alle.
Blinde werden sehend – aber nicht alle.
Tote stehen auf – auch nicht alle.
Es gibt eine neue Wirklichkeit, und da sind schon die Zeichen, die darauf verweisen – und da ist auch noch der Zweifel, der immer bleiben wird.
Gott muß gar nix beweisen – Christus auch nicht.
Er verweist auf die Zeichen.
Er will, daß wir uns herauswagen aus der Nacht – durch alle Zweifel hindurch, trotz allem, was dagegen spricht, inmitten der Dunkelheit, die bleibt.
Christus opfert sich für uns auf.
Christus laugt sich dafür aus, um uns neu zu gewinnen.
Gott geht in seinem Sohn für uns in die Dunkelheit hinaus, damit wir es wagen können, an seiner Seite den Schritt ins Licht zu gehen.
Nur in ihm können wir Gott im Dunkeln finden – in der Dunkelheit des Stalles von Bethlehem oder in der Dunkelheit unserer Angst.
Er ist es. Er allein ist die Antwort. Er ist der Kommende. Er allein macht es möglich, das zu sehen.
In ihm hält uns kein Dunkel mehr. Amen.