Sei vollkommen

Text: 1. Kor. 1, 4-9

Wenn ein kleines Kind das Licht der Welt erblickt, beginnt sofort die Verziehung. Viel Erziehung, die in unserer Gesellschaft stattfindet, ist eine Missgeburt. Jedes Neugeborene, das von seinem Geist her für die größte Entwicklung seines Lebens völlig offen ist, bekommt systematisch beigebracht, war geht und was nicht geht. Sag Danke, wenn du etwas geschenkt bekommst und halte den Mund, wenn Erwachsene reden. Systematisch werden mit unseren Normen Grenzsteine gesetzt, die nicht übertreten werden dürfen. Auf dem Weg zum vollkommenen Menschsein erledigen Kindergarten und Schule das Übrige. Jeder Fehler wurde rot markiert und damit war klar, halte die Normen, oder du fällst durch. Uns wurde beigebracht: Mach keine Fehler. Doch das Leben jedoch lehrt uns: wenn du fällst, steht sofort wieder auf. Mache viele Fehler und lerne viel daraus. Wir sind abgestumpft und haben verlernt, etwas zu riskieren und dem Ruf des Ewigen zu folgen. Vollkommen ist dann nur, keine Fehler zu machen und unsere selbsterdachten Gesetze in Gesellschaft, Kirche und Gemeinschaft zu erfüllen.

1. Unverschämter Ruf

4 Ich danke meinem Gott für die Gnade, die euch in Christus gegeben ist. Er ist treu und hat euch in die Gemeinschaft mit Christus berufen.

Paulus ist aus dem Häuschen, dass er in Korinth Menschen trifft, wie man sie selten findet. Da sind tatsächlich Leute, die für einen Ruf offen sind. Gott ruft zur Gemeinschaft mit Christus. Er ruft in seine Realität in irdischen Regeln. Wo dieser Ruf ergeht, schmettert er voll auf die menschlichen Grenzlinien. Dieser Ruf zu Christus, ist die Auseinandersetzung zu allem was wir erlernt haben. Dieser Ruf stört unsere eingerichteten Systeme. Die geordneten Abläufe, die wir geschaffen haben, kann dieser Ruf nicht garantieren. Der Ruf zu Christus, ist die Gnade für ein himmlischen Leben.

Wo der Ruf trifft, heißt: Schulwissen ist ungenügend. Alles mühsam erarbeitete Wissen ist schmückendes Beiwerk. Auserwählt sein schlägt Intelligenz. Wer gerufen ist, wird mit dem größten Wagnis seines Lebens konfrontiert. Er lässt sich auf etwas ein, für das es menschlich keine Sicherheiten gibt. Niemand kann ihm garantieren, dass der Weg, den er nun beschreitet, ins gelobte Land führt. Dieser Ruf weckt die größten Selbstzweifel in mir. Das, auf das ich mich bisher verlassen habe, wird mir unter den Füßen weggezogen, für einen Glauben ins Ungewisse. So unverschämt ist es, wenn wir zur Gemeinschaft mit Christus bestimmt sind.

Dieser Ruf kommt aus dem Zeitlosen und Ewigen. Es ist das ständige Fragen der anderen Welt: Bist du bereit, das was bis heute richtig war, loszulassen und einen radikal neuen Denkansatz zu wagen? Bist du bereit, auf deine Sicherheiten zu verzichten und mit der Angst im Nacken, für mein Großes, deine Haut zu riskieren.

Paulus ist dankbar, dass hier Leute sind, die sich im natürlichen Denken von diesem Ruf finden lassen.

2. Verkniffener Ruf

Er wird euch fest machen bis ans Ende, dass ihr untadelig seid, bis zum Tag Christi.

Beim Streben nach Sicherheit und Stabilität verlassen sich Menschen gerne auf sich, – da weiß man was man hat. Das ist überschaubar, berechenbar, das Risiko kalkulierbar. Lieber ein Häuschen in Miete, als eine Villa auf Pump. Lieber auf sicherer, kleiner Flamme wirtschaften, als mit einem riskanten Aufbruch baden zu gehen. Wenn uns der Ruf ins Ungewisse trifft, kommt unser Sicherheitsgefüge ins Wanken. Die Angst ist so groß, dass wir lieber das größte Geheimnis unseres Lebens verspielen, um nicht mit einem Wagnis des Glaubens, uns zu blamieren.

Wenn wir einmal dem Ruf gefolgt sind, heißt noch lange nicht, dass das mit dem Glauben bis ans Lebensende flutscht. Dieser Ruf ist ständig da, somit ist auch die Angst vor der Unsicherheit. In uns ist ein dauerndes Bestreben, das Erreichte festzuhalten, das Erglaubte, wie eine Trophäe in den Händen zu halten, um sie einem erneuten Rufen entgegenzustrecken. Nein lieber Gott, nicht schon wieder eine neue Herausforderung, ich hab´ doch schon.

Glaube ist immer in der Zerreißprobe, Glaube ist immer angefochten, Glaube ist immer der Schritt gegen menschliche Sicherheiten. Uns werden nie die sauber geregelten Strukturen in einer Gemeinschaft festmachen. Es sind nie liturgische Formen und nützliche Rituale, die Glauben verankern, es bleibt allein der, der uns zum täglichen Wagnis herausfordert. Glaube hört nicht auf, Glaube zu sein, auch wenn wir schon Jahre Routine in der Nachfolge haben. Was fest und vollkommen macht, bleibt Christus selbst. Genau dort wo wir kneifen wollen, weil wir unsicheren Boden unter den Füßen spüren, macht das Wagnis des Glaubens standhaft.

Die Angst und das Kribbeln im Bauch werden immer bleiben, weil der Ruf immer fordert, eigene Sicherheiten loszulassen. Glaube bleibt unbehaglich. Glaube bleibt Risiko, gegen besseres Wissen und schlechte Erfahrungen. Nicht weil wir Gott nichts zutrauen, jedoch weil wir unsere Pfründe immer neu verlassen müssen.

Verkneifen wir nicht unseren Ruf, wenn´s brenzlig wird.

3. Enthemmter Ruf

5  ihr seid in allen Stücken reich gemacht, in allem Wort und in aller Erkenntnis. 6 Denn die Predigt von Christus ist unter euch kräftig geworden, sodass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf das lebendig werden des Wortes.

Glaube geht trotz Ahnungslosigkeit nicht ins Blaue. Die Sicherheitsstatik des Reiches Gottes hat eigene Gesetze. Alles Vertrauen, das dem Ruf folgt, kommt aus dem Wort. Das ist die Statik, die gesprochen hat: es werde und es ward. Damit folgt dem Christus-Ruf ein Garantiesiegel. Es soll nicht aufhören, solange die Erde steht, Tag und Nacht, Saat und Ernte, Sommer und Winter. Jeder Ruf mündet in diesen Treuebonus. In diesem Ruf findet die Glücksausschüttung der anderen Welt statt. Die Unwissenheit geht mit Erkenntnis schwanger. Der Angst wird eine ausgestreckte Hand entgegengehalten, die auffordert den Schritt von der menschlichen Sicherheit in die Göttliche zu wagen.

Das Wort weckt Glaube, fordert Glaube heraus und erfüllt Glaube. In diesem Augenblick wird ein Fass an Gaben aufgemacht, an die kein Mensch gedacht hat. Da wird etwas sichtbar, von dem, was Gott im Menschen freisetzen will. Wo der Mensch sich diesem Wort und dem Anspruch des Rufes nicht sperrt, geschehen Wunder, die kein Mensch zu hoffen gewagt hat. Da ist selbst der Tod keine Grenze mehr, weil das Leben in die Auferstehung gerufen hat. Damit ist Leben nicht von schlechten Umständen abhängig. Damit verlassen wir die Opferrolle, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen ausgeliefert ist.

Wo wir mit Mangel zu kämpfen haben, bei einem Gott, der die Erde aus allen Nähten platzen lässt, bleibt die Frage: Was haben wir aus dem Ruf gemacht? Wenn der Ruf zu einem unverschämten Leben in die Christus-Gegenwart ruft, wie viel Glauben schenken wir diesem Wort? Sind nicht viele Probleme, mit denen wir uns herumquälen, der Spiegel für das Risiko, das wir scheuen?

Wir sind in allen Stücken reich gemacht, durch das Kapital des Wortes. Aus der Predigt fließen Gaben ohne Ende. Vollkommen wird das, was sich aus den Bauchschmerzen von diesem Ruf enthemmen lässt. Den Reichtum von Gaben, erfährt der, der sich auf das Wort hin selbst riskiert. Christus will uns vollkommen in Beschlag nehmen, weil er Herrlichkeit austeilen will.

Sei hemmungslos und unverschämt im Glauben. Sei vollkommen, dich auf das Wagnis dieses Rufes einzulassen.

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