Jeremia 20, 7 – 11
Dettingen; Parkplatz am Friedhof. Eine heikle Situation, wenn die mobilen Ordnungshüter, den 40 km-Übertretern, sehr tief in die Augen schauen. Da gibt es kostspielige Passbilder für einen zu saloppen rechten Fuß. Biedere Beamte erfüllen im Auftrag ihrer Dienststelle ihre Pflicht. Sie lieben Blumen und beenden oft ihre Schicht mit einem Einkauf im Blumenhaus. Verwunderlich! …denn zu lachen hatten sie nichts. Der Lohn ihrer Arbeit ist verächtlicher Spott. Pure Aggression dringt von außen durch ihre Fensterscheiben. Sie ernten den geballten Unmut, der sich gegen diese staatliche Abzocke richtet.
Jeremia, unterwegs im Namen des Herrn, leidet unter ähnlichem Schicksal. Rache- und Mordgedanken folgen seinem Prophetendienst. Innerlich mürbe, hadert er mit seinem Gott.
1. Gedrängt
Herr, du hast mich überredet, und ich habe mich überreden lassen! Du bist stärker als ich und hast den Kampf gewonnen. Wenn ich mir aber vornehme: „Ich will nicht mehr an den Herrn denken und nicht länger in seinem Namen reden“, dann brennt dein Wort in meinem Herzen wie ein Feuer, ja, es glüht tief in mir. Ich habe versucht, es zurückzuhalten, aber ich kann es nicht!
Jeremia kämpft mit seinem Gott: „Gott, gegen dich habe ich keine Chance. Da kommt ein Ruf auf mich zu, gegen den, kann ich mich nicht wehren. Wenn du redest, tue ich Dinge, vor denen ich normal zurückschrecke. Gott ruft, und in einem Menschen brodelt es. Gottes “geh-mit-mir“ ist wie ein Anschlag. Es ist, wie wenn er in größter Selbstverständlichkeit in seine Werkzeugkiste greift, den passenden Schraubenzieher herausholt und dann seine Arbeit macht.
Gott überwältigt in seinem Reden; er überredet in seinem Handeln; er überzeugt in seinem Hingeben. Lauter „Übers,“ die ein Darunter des Menschen verdeutlichen. Da kommt ein Charme, der unbestechlich ist. Dahinter steckt der Wille dessen, der ein Wort spricht und es geschieht. Die Macht hinter solch einer Sendung ist so stark, dass es nichts zu diskutieren gibt. Von Gott gegriffen sein heißt, an Aufgaben gestellt werden, die wir uns nicht aussuchen würden. Da ist keiner der nett fragt: „würdest du bitte mal hier den Prophetendienst übernehmen?“ „Wer hat Lust, sich für mich die Hände dreckig zu machen?“ Da kommt ein Ruf mit ganzer Wucht und lässt gar keine andere Wahl.
Voigt sagt: „Gott hat den Jeremia durch das Übergewicht seiner Allmacht zu Boden gedrückt.“ Wo Gott überredet, ist das nicht immer gemütlich und angenehm. Jeremia hatte einem Volk Gericht und Untergang voraus zu sagen; das ist gewiss kein Zuckerschlecken. Wer klopft anderen schon gerne auf die Finger? Wer macht mit Freude den Spielverderber? Wer kassiert freiwillig die Prügel?
Irgendwann kratz das. Die Spannung einer Berufung, kann an den Punkt kommen, alles hinzuschmeißen. Jeremia leidet an seinem Auftrag, trotz starker Zusage in der Tasche – Gott wolle ihn zur Festung, zur eisernen Säule, zu einer uneinreißbaren Mauer machen. „Ich will nicht mehr!“ „Weder an Gott denken, noch von ihm reden.“ Doch Gott einen Laufpass geben wollen, sticht ihm ins Herz. Abkehr von Gott hat organische Folgen. „Dein Wort brennt wie Feuer in meinem Herzen, es glüht tief in mir. Ich kann es nicht zurückhalten.“ Einen Beruf kann man wechseln, einen gottgegebenen Auftrag nicht. Da muss man dann die innere Stimme mit Gewalt abwürgen und das macht krank.
Wo Gott beauftragt gibt es keine Alternative. Gott überredet; sehr oft zu ungemütlichen Kreuzwegen.
2. Gehasst
Und nun werde ich lächerlich gemacht – tagaus, tagein; alle verhöhnen mich! Denn sooft ich das Wort ergreife, schreie ich: „Zerstörung erwarten euch!“ Deine Botschaft bringt mir nichts als Hohn und Spott. Ich höre viele hinter meinem Rücken tuscheln: „Von ihm hört man nichts als Schreckensmeldungen!
Gottesboten kratzen am Mainstream. Sie sind keine Verkäufer, bei denen der Kunde König ist. Hier ist der Konflikt vorprogrammiert. Jeder spürt – bewusst oder unbewusst – hier will Gott am Lack kratzen. Dieser starke Anspruch fordert die Unwilligen heraus. Er stört die Kreise, der mit sich Zufriedenen. Jeder Prediger sticht in ein Wespennest, wo er das „Gott recht geben“ fordert. Verkündiger sind unbequeme Zeitgenossen, weil sie der Gottlosigkeit nicht zuschauen können. Sie sind Miesmacher, wo sie Harmoniesüchtigen ihre heile Welt zerstören. Der Lüge sind sie ein Dorn im Auge, weil Wahrheit entlarvt.
Jeremia musste gegen die Heilspropheten antreten, die den Menschen nach dem Munde redeten. Es sind die, die sagen: Lehne dich zurück und entspanne dich. Sei zufrieden mit dem was du hast, es passt schon alles. Fange ja nicht mit denken an, sonst kommst du vielleicht noch auf dumme Gedanken. Im Auftrag des Herrn, sind da Wachrüttler, die falsche Beruhiger bloßstellen. Solch eine Aufgabe ist Stress. An den Glaubenden entlädt sich die Gottesauflehnung. Auf sie prallt der Unglaube. Sie ernten den Spott, der gegen Gott gerichtet ist. An ihnen tobt sich der Gott-Welt-Konflikt aus, den Christus das Leben gekostet hat. Es gilt den Konflikt auszutragen, den Gott mit der Welt hat. Für einen Gerufenen ist es von Amts wegen völlig normal Prügel zu bekommen. Prophet sein ist eine lebensbedrohliche Angelegenheit. Nicht unbedingt ein gutes Gefühl, Gottes unbequemer Mund zu sein.
Dieser Kelch ging nicht an Jeremia vorüber und muss von jedem ausgetrunken werden, der seinen Ruf ernst nimmt. Jeremia war der Vorbote dessen, den er noch gar nicht kannte und war dennoch von Jesu Leidensweg geprägt. So lange die Erde besteht, müssen diese Christuswege durchgelitten werden. Hat das Wort Gottes nicht oft an Kraft verloren, weil es anpassungsfähig gemacht wurde, weil man vielleicht den Hass fürchtete? Doch es gibt keinen Grund mit Gott zu rechten, Gott lässt niemand im Regen stehen, den er beauftragt hat.
3. Gestärkt
11 Aber du, Herr, stehst mir bei wie ein mächtiger Held! Darum werden meine Feinde stürzen und nicht den Sieg davontragen.
Konflikt, Krise, Aus stehen vor dem „Aber!“ Danach kommt´s noch heftiger. Alles was vor dem „aber“ steht, kann man vergessen! Das Gewicht eines Aber-Satzes liegt in der zweiten Hälfte. „Aber du, Herr, stehst mir bei!“ Ein Pfosten mitten im Wasser, neben dem Ertrinkenden. „Du Herr stehst“ – das erkennt der, der seine Krisen vor Gott reflektiert. Das Klagegebet rückt näher an Gott und erfährt darin eine Wandlung, weil Gott größer wird. In der Rückbesinnung öffnet sich die Kraft seines „Stehens“ von damals, von heute und von dem morgen. Sich auf Gott besinnen, vergegenwärtigt den realen Gott ins Heute. „Du Herr stehst“ ist die aufbauende Energie, die ein am Boden Zerstörter erfahren kann. Wo Gott steht, steht er auch nach Golgatha. Gott steht auch im Tod. Christus steht für den unzerstörbaren Lebenswillen Gottes. Christus hat den Hass gegen Gott, für ein Leben nach dem Aber durchgelitten.
Gott steht, d.h. er steht für mich. Beisteher – das ist wahres Krisenmanagement. An den Erschütterungen des Lebens steht ein anderer. Wo Gott beisteht, kann kommen was will, da wird im niederschmetternden Tiefschlag der Christus größer. Grenzerfahrungen sind Christus-Erfahrungen. Unter dem Ruf Gottes werden Leidenswege zu Erlösungswegen. Wo Gott ruft haben wir nicht zu fragen, tut uns das gut, oder bekommen wir Magenschmerzen. In dem wir den Schritt wagen und das tun wozu wir bestimmt sind, wird sich Herrlichkeit an uns offenbaren.
Darum haben wir ein Ja zum bitteren Kelch, dann wird Christus in uns lebendig. Dann können wir uns auch dann noch an Blumen freuen, wenn böse Blicke durchs Fenster schauen.