Sonntag, den 27.08.17 -Br. Markus-
Matthäus 21, 28-31
Es gibt tausend verschiedene Arten „Ja“ zu sagen.
Ja – (…………), ja (……………) ja,ja (………….)ja (……..) oder einfach nur ja (…………)
Was man damit meint, kann jeweils sehr verschieden sein. Die Palette reicht von „komme gleich“ bis „schau mer mal“. Beim Ja-sagen ist es, wie bei asiatischen Sprache, eine Betonungsfrage, was man genau damit meint – hoch oder tief, kurz oder lang. Das Ja-Wort des Glaubens soll ein ganz anderes sein als alle Ja-Worte der Welt, es soll ein Tat-Wort sein, völlig befreit vom menschlichen Riss, der zwischen unserem Denken und Tun so ist. Es soll eindeutig sein, schlicht und klar, ganz einfach „ja“. So einfach ist es aber nicht. Zu viele Ja-Worte scheitern nicht an der guten Absicht, sondern am Leben selbst, mit oder ohne Glaube, weil manchmal alles anders ist.
1. Vom Ja-Wort
Ein Mann hatte zwei Söhne.
Christus stellt im Gleichnis zwei falsche Möglichkeiten vor. Beide sind eher schlecht als recht. Trotzdem besteht ein Unterschied, ein ganz erheblicher sogar, der reinhaut wie die berühmte Faust in den Pudding. „Huren und Betrüger sind – besser“ sagt Christus. Das ist nicht nur unverschämt, sondern trifft hart, gerade wenn man sich Mühe gegeben hat, korrekt zu glauben. Das Motivationstraining von Jesus Christus ist ein knallharter Tiefschlag, eine gemeine Ernüchterung für alle Glaubenden. Der Christus, der predigt, dass Glaube Berge versetzt, predigt auch, dass der Glaube der Glaubenslosen mehr wert sein soll, als derer, die sich Mühe geben, exakt zu glauben. Lässt man die Tatsache weg, dass Christus sich im Dialog mit den Pharisäern befindet, versteht man viel eher die Wut, die entsteht, wenn da einer kommt, der behauptet, dass Huren die besseren – ich sag mal „Gläubigen“ sind.
Es ist nicht die einzige Stelle, an der Christus so brutal wird. Geschmacklos – oder? Mindestens schwer verdaulich! Da gibt man sich ein Leben lang Mühe und wird dann von denen überholt, die sich einen Schlauen gemacht haben. Die Versager, die vom anderen Ufer, die schrägen Vögel und was immer mehr, sollen mehr wert sein. Das haut rein, das zieht runter, schadet mehr, als es nutzt – oder nicht? Sieht so Gottes Motivation aus, die Gebote zu halten, wenn nachher derjenige mehr wert ist, der sie bricht? Kontraproduktiver geht’s wohl kaum. Im heutigen Gleichnis fehlt völlig das positive, Mut machende, aufbauende Element. Christus erzeugt Wut, schlimmer noch, religiöse Wut, indem er die Huren heilig spricht. Sowas macht man doch nicht.
„Ein Mann hatte einen Weinberg …“
Christus wählt häufig den Weinberg als Beispiel oder Sinnbild für den Ort, wo sich der Glaube verwirklicht. Gott spricht alle an, die ihr Ja-Wort gegeben haben zur Arbeit im Weinberg des Herrn – uns! Unser Ja-Wort ist ein Winzer-Ja-Wort. Es war nie die Rede vom Schweben auf Wolke 7. Trotzdem gibt es immer Probleme, wenn Arbeit im Weinberg sich auch anfühlt wie Arbeit im Weinberg. Wenn die Sonne heiß vom Himmel brennt, der Zeitdruck steigt, die Arme wehtun gerät so manch ein Ja-Wort ins Wanken. Ich geb’s ganz ehrlich zu: Auch mir wär ein schattiger Weinberg im Hochsommer lieber. Ich genieße immer den Augenblick, wenn ich in unserem LKW die Klimaanlage auf Full-Speed stellen kann, immer dann, wenn draußen die Sonne gnadenlos brennt. Es stand nicht im Kleingedruckten, dass Glaube so wehtun kann wie Arbeit im Weinberg des Herrn. Noch weher tut es dann, wenn man zusehen muss, wie andere sich abseilen. Nicht diejenigen, die von Anfang an „nein“ gesagt haben, sondern die, die „ja“ sagten und deren Ja zum „Jaaaaaaaaa – aber“ oder „ähhhhhhhhh“, vielleicht auch „jain“ wurde. Die Ja-Sager und Nein-Tuer – in jedem von uns steckt so ein Quäntchen Nein, bei jedem „Ja“ das wir sprechen. Wir können gar nicht so sein, wie wir sein wollen, mit uns selber im Reinen, so völlig synchron in Wort und Tat, stimmig mit mir, mit Gott und dem Rest der Welt. Es überfordert uns, so zu sein, wie wir sein sollen, das Gute, was wir wollen, auch zu tun. Und doch fordert Christus das Unmögliche ein: Stimmig zu sein in Wort und Tat. Darin ist sein Urteil scharf. Wenn Glaube nicht zur Tat wird, ist er wertlos – egal, wie fromm der Einzelne seine stille Verneinung tarnt, sie bleibt hinter dem gesprochenen Ja zurück.
So vieles zerbricht nicht aus mangelnder Absicht, einfach aus zu großer Hitze oder Kälte oder sonst was. Es gibt immer einen plausiblen Grund, warum man nicht so konnte, wie man hätte wollen-sollen oder so. So verweht manch ein Ja-Wort im Winde der Ereignisse des Tages, des Lebens oder der schlimmen Enttäuschung über andere. Glaube aber ist Berufung zur Arbeit im Weinberg des Herrn. Eben weil das nichts mit Weltflucht zu tun hat, sondern konkrete Arbeit, auf konkrete Frucht ausgerichtet, treten konkrete Schwierigkeiten auf. Es nützt nichts, das Ja-Wort zurückzuziehen, einzugrenzen oder abzumildern – gerade dann nicht, wenn die Schwierigkeiten größer, anders oder härter als erwartet sind. Gerade da sollte ja der Glaube wirklich werden – nicht in der Reduzierung unseres Ja-Wortes, sondern in der Erweiterung. Ein Glaube, der das Ja-Wort einschränkt, schränkt die Frucht ein, die entstehen könnte durch unsere Mitarbeit im Weinberg des Herrn. „Wer nicht hackt, düngt und gießt erntet eher weniger“ – alte Gärtnerweisheit, gilt auch für Winzer. Ernte entsteht nicht durch Resignation, Weglaufen oder Sein-Lassen. Ernte entsteht durch Mühe um Frucht, tätige Mühe. Deshalb soll unser Ja immer ein Ja-Ja sein, Ja zu Gott, zugleich Ja zur damit verbundenen Mühe, damit wir nicht in unverbindlichen Absichtserklärungen stecken bleiben, unser Ja-Wort
2. Zum Tat-Wort wird
Der Theologe Voigt meint, dass gerade unsere protestantische Kirche Gefahr läuft, nur Worte zu machen und dass eine immer nur „Worte-machende Kirche“ zur Kirche der nicht eingehaltenen Versprechungen werden kann.
Praktisch heißt das: Wenn unsere Meditation, unser Singen, unser Beten und unser Gottesdienst nicht zum Gottesdienst der Werke wird, war alles umsonst. Eine Kirche, die mit Nichtstun Gott dient, würde wohl auch keiner vermissen, wenn es sie gar nicht gäbe. Es gibt sie schon jetzt nicht. Wo keiner was tut, ist keine Kirche, bestenfalls religiöser Club. Christlicher Glaube versteht sich immer als Antwort auf Gottes Anruf, und diese Antwort ist ein Tat-Wort: „Hier bin ich, ja-ja!“ – synchron in meiner Absicht, das, was ich erkenne, auch zu tun. Gottes Wort will zum Tat-Wort werden in mir. Das hat nichts mit religiöser Geschäftigkeit oder krampfhaftem Aktionismus zu tun.
Es geht um mehr. Die Pharisäer waren religiös hoch aktiv. Wenn Aktion allein Gottes Absicht gewesen wäre, hätte Christus eher empfohlen: „Tue Gutes und rede darüber.“ Es ist aber anders. Im Gleichnis geht es um zwei Söhne: den Ja-Sager aber Nein-Tuer und den Nein-Sager aber Ja-Tuer. Beide haben den Riss in sich. Beide sind nicht das, was Gott sich vorstellt. Trotzdem wertet Christus den Nein-Sager auf in Gestalt von Huren und Betrügern. Nicht das Nein-Sagen wird zur Tugend erklärt, sondern die Bereitschaft zur Veränderung, das Nachdenken, Neudenken und das Ja-Tun. Gott wertet den Widerspruch zum Guten auf, das Tat-Wort. Gott nimmt sich das Recht heraus, sein Reich auszudehnen über die Grenzen der kirchlich Aktiven hinaus. Kirche wird zu einer Kirche der Täter, derer, die das Wort tun: Ja-ja. Es ist dann nicht mehr die Frage, was der andere tut und was er lässt, sondern vielmehr die Frage der Bereitschaft in mir, festzuhalten an alten Gewohnheiten oder aufzubrechen zur Veränderung, die das Wort in mir schafft. Gottes Ziel ist die Geschlossenheit der Person, die Stimmigkeit mit sich selbst, dass ein Ja auch ein Ja ist und ein Nein ein Nein. Christus allein beendet den Widerspruch in mir selbst, der mich von der einen auf die anderen auf die anderen Seite zieht. Es geht um die verwandelnde Kraft seines Wortes, das auch meine besten Absichten zur Wirklichkeit werden lässt. Ja-Ja.
Darin liegt die wahre Kraft der Kirche, unsere Kraft, über die Grenzen der Kraft des Einzelnen hinaus, die Kraft, Berge zu versetzen, die ohne unsere doppelte Zustimmung sitzen bleiben würden. Ein einfaches Ja reicht nicht. Es braucht das Doppelte, tausendfache Ja jeden Tag neu, die Hacke anzufassen, wenn der Weinberg voller Unkraut ist. In den nächsten Tagen beginnt die Weinlese. Ein großer Wein soll es schon werden im Weinberg des Herrn. Spätestens dann, wenn der gute Tropfen fertig ist, schmeckt man umso mehr, wie gut der Wein ist, wenn man mit an der Arbeit war – immer dann, wenn der Weinberg voll Disteln und Dornen war. Wenn der Wein fertig ist, wird er greifbar. Er ist ein genießbares Stück unseres Lebens, ein Stück aller Arbeit, die sicher nicht einfach war.