– Br. Markus – Johannes 12, 44-50
„Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Die Dame aus dem Navi lässt keine Zweifel aufkommen – wir haben`s geschafft, wir sind da, da wo wir hinwollten. Wenn der Flieger wieder aufsetzt, der Zug in den Bahnhof rollt oder die Fähre anlegt, ist der Fall klar: Wir sind angekommen. Was beim Verreisen so leicht ist, ist beim Versenden von Worten schon schwerer. So manches Wort, das gesprochen wird, erreicht den anderen nicht – den, der direkt neben mir steht, so, als ob tausende Kilometer zwischen uns wären.
An Weihnachten kommt Gott in Christus zu uns – und kommt nicht an – bei manchen schon, nicht aber bei allen. Es ist fast wie bei einem Geschenk, das, obwohl es ankommt, nicht ankommt oder aber verschmäht wird. Damit es besser oder sicher ankommt, gibt es den heutigen Predigttext. Christus verdeutlicht sein Lebenswerk, den Sinn seines Wirkens, das Ziel seiner Mission.
In Christus stellt Gott sein Profil in die Welt.
1. Hier ist Gott
„Wer an mich glaubt, der glaubt in Wahrheit an den, der mich gesandt hat.
Weihnachten – Gott kommt in die Welt. Er kommt in Christus an, betritt unseren Boden. Der unsichtbare Gott wird zu einem sichtbaren Menschen in unserer sichtbaren Welt. Christus ist mehr als eine Reise Gottes, so wie von a nach b oder seiner Zeit in unsere. Christus ist die Verwandlung Gottes in einen Menschen. Das ist so unfassbar groß, dass es bis heute trennend zwischen den Religionen steht. Christus ist nicht die
Nr. 2 neben dem einen Gott, er ist keine weitere Figur, wie im griechischen Götterhimmel, sondern Gott selbst, der eine, einzige Gott in einer anderen Gestalt. Christus ist Gott selbst, der sich nicht zu schade war, Mensch zu sein, Mensch unter Menschen, menschlich klein, Menschen ausgeliefert. Das ist unser Glaubensinhalt, unverzichtbarer Bestandteil des Glaubens. Christus ist Gott selbst, das Wort, das unter uns zeltet.
Der Theologe Voigt sagt sinngemäß: Gott wird selbst ein Stück Welt. Er wird es so sehr, dass man das Göttliche ganz übersehen kann, ja übersehen muss.
Hier ist Gott. Er kommt in Christus an, wird zum Stück Welt, das Christus heißt. Christus ist sicher auch Prophet oder Bote, wie ihn der Islam versteht, Wunderheiler oder Lehrer, aber weit darüber hinaus der verwandelnde Gott, der zum Verwechseln ähnliche menschliche Gott, der nicht über Cherubim thront, sondern mitten unter uns liegt, krippen-groß, relativ klein. Gott ist in Christus verwechselbar geworden, verwechselbar mit einem Menschen, weil er menschlicher geworden ist, als man glauben kann – was aber nicht heißt, dass er nur Mensch wäre und aufgehört hätte, Gott zu sein. Er ist nicht nur Bruder unter Brüder, sonst wäre der Glaube an ihn nur das Für-wahr-halten eines außergewöhnlichen Menschen. Der christliche Glaube hat eine größer gefasste Vorstellung von Gott. Wir glauben Gott nicht als starre Figur, sondern als wandlungsfähige Macht. „Am Anfang war das Wort, Gott war das Wort, in ihm war das Leben.“ Ganz gleich, in welcher Gestalt oder Form sich Gott zeigt, es bleibt ein und derselbe Gott, ein nicht zu kategorisierendes Wesen.
Christus verweist nicht umsonst zurück auf den Vater. Der christliche Glaube richtet sich nicht auf Menschen, Personen oder Sachen aus, sondern immer auf Gott allein. Christus glauben ist etwas anderes als eine Übertragung meiner Wünsche und Sehnsüchte in eine bessere Welt. Christus glauben heißt, aufmerksam werden für Gott, der in Menschengestalt angekommen ist, hier ist, jetzt, ansprechbar für alles, was sich keiner zu sagen traut. Hier ist Gott in Christus. Er tritt streckenweise total ungöttlich auf, so zweifelhaft in seiner Erscheinung, dass es viele selbst heute noch nicht glauben können. Zu ungöttlich erst recht sein Scheitern am Kreuz, zu wenig heil, zu wenig glanzvoll, zu wenig entspannt scheint er, als dass man so was heute noch glauben könnte. Genau deshalb verkündet es Jesus laut – nicht leise, wie es modern geworden ist, sondern laut, dass er ein Gott zum Anfassen ist, ein anderer, als Rache- oder Glücksgötter sind, die Menschen erdacht haben. Christus ist Gott, mit dem man reden kann, einer, der sich zum Mensch gewandelt hat und zurück und trotzdem geblieben ist, wer er ist: Gott.
Hier ist Gott, und somit auch
2. Hier ist das Licht
Ich bin als das Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht länger in der Dunkelheit leben muss.
Da sind Millionen Lichter über der Stadt, Millionen von Sternen leuchten bei klarem Wetter in den Nachthimmel hinein. Wenn die Sonne untergegangen ist, hilft der elektrische Strom, ein wenig klarer zu sehen. Romantischer ist nur noch der Kerzenschein. Natürlich braucht der Mensch Licht zum Leben.
Was aber heißt es, Licht der Welt zu sein? Christus ist ja nicht die Cappuccino-Strategie Gottes, bei der man an was Schönes, Warmes, Helles glauben muss, um ein bisschen Glanz für’s arme Dasein zu gewinnen. Christus ist das Gegenteil aller Finsternis, die uns umgibt. Das hat durchaus was Warmes, Helles wie von einer Kerze, die in der Dunkelheit scheint, viel mehr aber etwas von jenem harten Kontrast, der zwischen Licht und Dunkel ist. Man kann nicht gleichzeitig nass und trocken sein. Das Licht der Welt zu sein, bedeutet, in der Auseinandersetzung mit der Finsternis zu stehen, was alles andere als bequem ist.
„Hier ist das Licht“ bedeutet: Hier ist weniger Platz für Finsternis – und das ist ein Konflikt. Finsternis versteht die Bibel nicht nur als Mord und Totschlag, Lug und Betrug oder das lähmende Entsetzen, das entsteht oder die Ratlosigkeit aus all dem, was daneben geht auf dem Planet. Finsternis ist zu allererst da, wo sich der Mensch abriegelt gegen Gott. Finsternis ist eine Art der Verschlossenheit, des Sich-Versperrens gegen Gott. Finsternis ist Verstandesmissbrauch gegen Gott. Finsternis ist Gefühlsmissbrauch gegen Gott. Finsternis ist Freiheitsmissbrauch gegen Gott.
Die daraus folgenden Taten sind nur die Wirkung einer beschatteten oder unbeleuchteten Denkweise. Darin schlummert unglaublich viel Zoff – eben weil es nicht nur die Nicht-Christen sind, die die Welt verdunkeln, sondern manchmal auch wir Christen selbst, auch die Kirche, das müssen wir uns eingestehen. Man kann sich auch voll fester religiöser Überzeugung gegen Gott abriegeln, also finster sein, solange man sich nur einredet, zu den Erleuchteten zu gehören. Vielleicht ist das sogar die schlimmste Art des Beschattetseins. Golgatha ist ein Beispiel davon.
Es geht um Verschlossenheit bei frommen und nicht-frommen Menschen. Christus strahlt in die Verschlossenheit. Er will klar machen, dass es total anders sein kann, als ich es persönlich wahrnehme.
Der Theologe Voigt sagt: „Es hat nicht viel Sinn, denen, die das Licht nicht kennen, einreden zu wollen, sie tappten im Dunkeln.“ Und er führt aus „zur Erhellung der Welt tragen auch solche bei, die Jesus nicht kennen.“
Von Christus erleuchtet sein bedeutet also nicht, es immer besser zu wissen als die armen, umnachteten anderen. Erleuchtet sein bedeutet, wach zu werden, bei ausreichend Sonnenschein zu prüfen, ob meine Empfindungen wirklich richtig sind, ob ich es wirklich richtig verstanden hab, ob ich es wirklich richtig gemacht habe. Hätte das die Kirche immer getan, hätte man z.B. die Eisenbahn nie zum Werk des Teufels erklären müssen, und ob der Papst der Antichrist ist, selbst wenn der Vatikan Verbindungen zur Mafia hat, wollte ich nicht mit Sicherheit behaupten. Schlimmer dabei ist, dass es Menschen gibt, die eben deshalb nicht an Christus glauben wollen oder können, weil sie zu Recht die Verdunklung befürchten, die religiöse Beschränktheit verursacht. „Hier ist das Licht“ ruft Christus, und ruft dazu auf, sich in den hellen, heißen Scheinwerfer Gottes zu stellen.
Nur in diesem Licht ist auch das Leben.
3. Hier ist das Leben
Ich bin nicht als Richter in die Welt gekommen, sondern als ihr Retter …. Was Gott mir aufgetragen hat zu sagen, führt euch zum Leben.
In Christus ist das Leben eingetroffen – das Leben, das nur einer geben kann, das Leben, das so ganz anders ist, als das, was wir auf dem Friedhof abgeben müssen. Alles, was Gott ist und tut, ist bestimmt von diesem Lebensplan. Von Anbeginn der Schöpfung geht es um nichts anderes – sonst hätte Gott den Urknall nicht knallen lassen, ohne seinen Lebensplan. Gott will Leben, nichts anderes. Somit will Christus und wir, Religion und Kirche nichts anderes. Wir hören nicht am Grabstein damit auf. Wir sind die Weitermacher, die Überleber. Unersättlich folgen wir Gottes Plan. Er ist lebendig bei uns angekommen und will, dass wir bei ihm lebendig ankommen. So einfach ist der Plan. Wir sind nicht die Sachwalter von Hölle, Tod und Teufel, sondern Mitgestalter des göttlichen Lebensplans. Leben ist unsere Zukunft, Leben ist der Masterplan. Er will nicht, dass wir uns mit den kleinen oder größeren Schweinereien selber ausbremsen oder abtöten.
Er will Leben ohne den Schatten, Leben im Licht. Das ist mehr, als nur ein Lichtblick. Es ist unsere Zukunft, die heute schon da ist. Hier ist das Leben. Es steht vor uns wie ein großes Paket, das der Weihnachtsmann abgeliefert hat, ein großes Paket mit gigantischer Aussicht: Leben im Licht. Es kann nur ein Leben in dieser Helligkeitsstufe sein, alles andere überlebt nicht.
Das Licht ist angekommen. Man kann es nicht schöner sagen als Papst Johannes Paul II: „Reißt die Türen weit auf für Christus.“